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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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sie mit samtweicher Stimme fort. »Ich glaube, ich kenne ihn.« Sie hielt ihre Hände rechts und links neben ihre Schlüsselbeine. »So lange, hellbraune Haare, gelockt. Einen sorgfältig gestutzten Bart. Und Augen, die, hm, sagen wir, unheimlich sind. So brennend.«
    »Richard Sterner!«, entfuhr es Silberschläger.
    Sibilla nickte. »Hm. Wenn es nur ein gewöhnliches Engelchen gewesen wäre«, sagte sie, »hätte ich den Mund gehalten, aber in Zusammenhang mit diesem Sterner ... Stand er nicht schon einmal in Verdacht, mit Leichenteilen Zauberei betrieben zu haben?«
    »Nicht wirklich. Die Leute munkeln nur.« In Silberschlägers Kopf überschlugen sich die Gedanken.
    Eberlein hatte sich noch nicht wieder gemeldet und ihm neue Erkenntnisse über Richard Sterner mitgeteilt. Aber hier bot sich ihm plötzlich das nötige Wissen, seinen Plan in die Tat umzusetzen, aus einer ganz anderen Richtung. Das war das Detail, das er noch brauchte, um diesem Sterner den Mord in der Türmerstube anzuhängen.
    Er spürte, wie sich kribbelnde Freude in ihm breitmachte. »Ich danke dir für deine Auskunft«, sagte er zu Sibilla.
    Sie nickte. Dann streckte sie den Arm aus und hielt in einer unzweideutigen Geste die Hand auf.
    Silberschläger seufzte, doch er ging zu einer Truhe, die er unter dem Fenster stehen hatte, und schloss sie auf. Aus einem Samtbeutel, der auf einer Reihe von Papieren lag, entnahm er eine Münze, die er Sibylle gab.
    Die blickte missmutig darauf. »Ihr wart auch schon mal großzügiger!«, murrte sie.
    »Hüte deine Zunge, Weib!«, zischte er sie an. »Denk daran, dass ich weiß, womit du dein Geld verdienst!«
    Spöttisch hob Sibilla den Blick von der Münze und senkte ihn in Silberschlägers Augen. »Wie geht es eigentlich Eurer Frau?«, fragte sie herausfordernd.
    Silberschläger unterdrückte einen Fluch.
    »Geh jetzt!«, meinte er, sehr viel sanfter als noch eben.
    Und Sibilla nickte gelassen. »Grüßt sie von mir«, sagte sie, bevor sie sich umwandte und das Kontor verließ.
    Nur wenige Minuten später verließ Silberschläger den Raum ebenfalls und griff nach Hut und Mantel.
    »Wo willst du denn so spät noch hin?«, fragte Richhild. Sie hatte ihre Stickerei fortgelegt und saß da, die Hände im Schoß gefaltet, das perfekte Abbild einer gottesfürchtigen, züchtigen Frau.
    Silberschläger hätte beinahe laut aufgelacht.
    Er beherrschte sich mühsam. Seine Stimme klang etwas gepresst, als er meinte: »Ich muss noch mal weg.«
    Zu seinem Glück fragte Richhild nie nach.
    Nachdem Katharina ihn verlassen hatte und zu ihrer Mutter zurückgekehrt war, öffnete Richard das Fenster in seinem Kontor und starrte auf die dunkle Tuchgasse hinaus. Der Weg, der vor seinem Haus entlangführte, mündete ein Stück weiter links in einen kleineren Platz, dessen hauptsächlicher Zweck es war, einen Brunnen zu beherbergen, aus dem sich die Bewohner der umliegenden Häuser und Straßenzüge mit Wasser versorgten.
    Wie an vielen Stellen in der Stadt brannten auch bei diesem Brunnen Fackeln in langen, eisernen Haltern, die man mit wuchtigen Hammerschlägen zwischen die Pflastersteine getrieben hatte.
    Die Wache konnte Richard von seinem Fenster aus nicht sehen, aber er wusste, dass dort, wo die Fackeln brannten, auch zwei Männer nicht weit waren, deren Hände um ihren Schwertgriff lagen.
    Während Richard seinem eigenen Atem zusah, der weiß vor seinem Gesicht in die Höhe stieg, dachte er über Katharina nach. Er hatte das Zusammensein mit ihr genossen, wie er selten zuvor in seinem Leben etwas genossen hatte. Da war zum einen der Kuss, dernoch immer auf seinen Lippen brannte. Aber auch das Gespräch, das sie geführt hatten, ging ihm nicht aus dem Kopf. Es hatte ihm gezeigt, dass Katharina ihm nicht nur eine liebende Frau sein könnte, sondern darüber hinaus eine wahre Gefährtin, ihm geistig ebenbürtig und kritisch im Hinterfragen seiner eigenen Gedanken. Er ertappte sich dabei, dass er sich ausmalte, wie es sein mochte, morgens neben ihr aufzuwachen und sie ansehen zu können, während sie noch schlief. Und dann wandelten sich seine Tagträume, wurden hitziger, und er dachte nicht mehr an Katharinas Geist, sondern an ihren schlanken Leib und ihre Brüste. Mit einem tiefen Gefühl von Scham versuchte er diese Bilder aus seinem Kopf zu verbannen, denn sie ließen seinen Körper mit einer deutlichen Regung reagieren.
    Die beiden Wachen am Brunnen veränderten ihren Standort, so dass Richard sie nun sehen konnte. Sie

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