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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Eintreten in die Küche noch gerochen hatte. Unangenehm berührt, betrachtete er den Eimer. »Das benötigt Ihr für Eure alchemistischen Versuche? Pisse?«
    Der Doktor nickte. »Frauenpisse, um genau zu sein.«
    Es befremdete Lukas, ihn ein solch derbes Wort aussprechen zu hören. Früher hatte er sich stets geweigert, derbe Reden zu führen.
    »Was wir darüber hinaus noch brauchen ...« Der Doktor zuckte mit den Achseln. Dann seufzte er schwer. »Nun. Wir werden sehen.«
    »Was sind es für Versuche, die Ihr machen wollt?«, fragte Lukas.
    Der Doktor verzog das Gesicht. »Es geht um ein Heilmittel.«
    Lukas blinzelte und versuchte sich ins Gedächtnis zu rufen, was er über die Kunst der Alchemie wusste. Dass die Gelehrten, die ihr anhingen, versuchten, aus minderwertigen Materialien Gold zu machen, war das Erste, was ihm einfiel. Dann jedoch erinnerte er sich daran, was sein Vater ihm über diese Kunst erklärt hatte: »Es geht im Grunde nicht um das Gold an sich. Einem wahren Adepten geht es um die Vervollkommnung aller Dinge, sich selbst eingeschlossen.«
    Lukas hatte sich nie so recht etwas darunter vorstellen können, und das sagte er jetzt auch.
    Der Doktor lächelte. »Nun. Du hast deinen Aristoteles gelesen, nicht wahr?«
    »Ja.« Lukas wusste nicht, was Aristoteles mit Alchemie zu tun hatte.
    »Was schreibt er über die Bestandteile, aus denen die Welt sich zusammensetzt?«
    Lukas überlegte einen Moment, um die richtigen Worte zu finden. »Alles besteht aus vier Elementen, Erde, Luft, Feuer und Wasser. Und darüber hinaus gibt es noch ein fünftes, aus dem die vier entstanden sein sollen, die sogenannte Quintessenz.«
    »Genau! Sehr gut. Die Alchemisten nun glauben, dass es möglich ist, jeden Stoff durch spezielle Verfahren in diese Quintessenz zurückzuführen und von dort aus dann in etwas anderes, Edleres zu verwandeln. Dazu benutzen sie Instrumente wie dieses hier.« Der Doktor beugte sich über die Kiste auf dem Tisch und beförderte ein Gerät zutage, wie Lukas es noch nie zuvor in seinem Leben gesehen hatte. Es bestand aus einem eisernen Dreifuß, auf dessen ringförmiger Ablagefläche ein dickbauchiger Tonkolben ruhte. Auf dem Kolben wiederum lag ein weiteres tönernes Gebilde, das Lukas entfernt an einen Spitzhut erinnerte, nur dass dieses Ding seitlich eine Art Tülle besaß, von der aus eine langgezogene, sich stetig verengende Röhre nach unten führte, um dann schließlich ziemlich abrupt in einer scharfen Kante zu enden.
    Der Doktor stellte das Gerät auf den Tisch. »Das ist ein Destillationsapparat.« Er tippte an die Kante, wo ganz offensichtlich ein Stück der Apparatur abgebrochen war. »Leider ist es zerbrochen, weil mir ein Metalltiegel daraufgefallen ist. Unter diese Tülle hier gehört noch ein zweites Gefäß.«
    Lukas beugte sich ein wenig vor, um sich das Gerät genauer anzusehen. Die Innenseite des Kolbens war mit einer dünnen grünschimmernden Schicht überzogen wie ein verziertes Essgeschirr. »Schade, dass es kaputt ist!«, murmelte er.
    »Wie wahr!« Der Doktor stand auf. »Aber jetzt erst einmal genug von dem Ganzen! Ich bin froh, dass du hergekommen bist, denn wir haben viel zu tun.« Er deutete auf den Herd und die schmutzigen Regale. »Wenn wir das hier benutzen wollen, um von Hardenbergs Versuch nachzuvollziehen, müssen wir ein wenig saubermachen, fürchte ich.«
    Ein freudiger Schauer durchrann Lukas. »Ihr wollt mich bei Eurer Arbeit mitmachen lassen?«
    Der Doktor schmunzelte. »Würde dir das gefallen?«
    Eifrig nickte Lukas. Seit langem schon träumte er davon, einen Einblick in die Kunst der Alchemie zu erlangen!
    Der Doktor nickte. »Was meinst du, warum ich dich nach Nürnberg geholt habe? Dann ans Werk!«
    In einer kleinen Kammer neben der Küche fanden sie Besen und Eimer, die zwar nicht viel weniger verrottet schienen als die Möbel, die Lukas bisher zu Gesicht bekommen hatte, die aber dennoch ihren Dienst taten.
    Der Doktor schickte Lukas zum Brunnen, um Wasser zu holen, und kurz darauf waren sie beide damit beschäftigt, die Küche von Staub und Schmutz zu befreien.
    »Der Vorbesitzer dieses Hauses scheint ziemlich abrupt die Stadt verlassen zu haben«, meinte Lukas und betrachtete den Stiel des Besens in seiner Hand. »Ich meine: Warum sonst sollte er all seine Möbel hiergelassen haben?«
    Der Doktor zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, was passiert ist. Vielleicht ist er im August gestorben.«
    Lukas hatte keine Ahnung, was im August geschehen war,

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