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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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noch einen Zug.
    »Ihr nicht?«, fragte Richard.
    Silberschläger richtete den Blick auf eines der Bilder, die an den Wänden hingen. Es war die Kohlezeichnung eines Baumes, den der Maler mit kunstvoller Hand aufs Papier geworfen hatte. »Seltsames Bild«, bemerkte Silberschläger. »Gar keine Farben.« Dann besann er sich auf die Frage Richards, blinzelte einmal heftig und fügte hinzu: »Natürlich nicht! Ich meine, es ist doch ein deutliches Zeichen, was die Juden mit unserem guten, alten Nürnberg vorhaben, wenn sie jetzt schon Leichen in unseren Heiligengräbern verstecken. Die Leichenzauberei ist eine Bedrohung, vor der wir auf keinen Fall die Augen verschließen dürfen.«
    »Dann habt Ihr Euch inzwischen davon überzeugt, dass die Leiche im Sebaldusgrab der Leichenzauberei diente?« Richard fragte sich, wie das geschehen sein mochte, aber Silberschläger kam ihm zuvor.
    »Ihr selbst habt diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen«, erinnerte er Richard.
    Richard knirschte mit den Zähnen. »Wenn der Türmer tatsächlich Leichenzauberei betrieben hat, bevor er so plötzlich verschwand, dann muss es doch einen Grund dafür geben, warum er verschwand. Habt Ihr Eure Männer auf ihn angesetzt und versucht, ihn zu finden?«
    Silberschläger leerte den Becher bis zur Neige. »Natürlich.« Er sprach nicht weiter, und Richard starrte ihn fragend an.
    »Natürlich vergeblich«, sagte er endlich. »Falls er es wirklich war, ist er längst über alle Berge.«
    »Falls er es war?« Richard betonte das falls .
    Silberschläger zuckte die Achseln. »Ich halte ihn nach wie vor nicht für den Täter, sondern für das ...«
    »... das Opfer, ich weiß.« Die Tatsache, dass ein gestandener Mann wie Silberschläger es für möglich hielt, dass eine Leiche mittels Zaubersprüchen innerhalb von einem Tag so sehr verwesenkonnte, wie das ihre Leiche getan hatte, befremdete ihn. »Und wer ist nun Eurer Meinung nach der Täter?«
    Silberschläger zuckte die Achseln. »Jemand aus dem Judenvolk.«
    Richard lachte. »Ich dachte, Ihr seid ein vernunftbegabter Mann! Was bringt Euch zu der Überzeugung?«
    »Der Judenstern auf dem Fußboden der Türmerwohnung!«, sagte der Bürgermeister.
    »Natürlich! Die Juden hegen irgendeinen finsteren Plan mit dieser Leiche, und damit sie ihn in aller Ruhe ausführen können, malen sie eben ihr Zeichen in den Staub.« Richard fühlte, wie der Sarkasmus, den er empfand, in seiner Kehle ätzte.
    Ruhig richtete Silberschläger den Blick auf ihn. »Könnte es sein, dass Ihr die Juden verteidigt?«, fragte er lauernd.
    Richard suchte in seinem Blick nach einem Grund für diese absurde Frage. Und dann sah er es. Dieses höhnische Funkeln ganz hinten in seinen Augen. Und mit einem Mal setzten sich die Mosaiksteinchen zu einem erkennbaren Bild zusammen. Richard blieb die Spucke weg. »Darum habt Ihr mich im Ochsen gebeten, mit Euch in die Türmerstube zu gehen? Weil Ihr einen Sündenbock sucht?« Vor Zorn wurde ihm beinahe schlecht. Was war er doch für ein gutgläubiger Trottel gewesen!
    Silberschläger lächelte unschuldig. »Nein, mein lieber Sterner!«, sagte er, und es gelang ihm tatsächlich, empört zu klingen. »Als ich Euch im Ochsen bat, mir bei der Klärung dieses Mordfalles behilflich zu sein, ahnte ich noch nichts davon, dass Ihr in dem Verdacht steht, selbst mit Leichenzauberei zu tun zu haben.«
    Plötzlich wurde es Richard eiskalt. »Wie ... kommt Ihr auf diese Idee?«, murmelte er.
    Niemand wusste von den Dingen, die im Keller von Enzo Pömers Haus stattgefunden hatten! Niemand! Er sagte sich das wieder und wieder, doch er blickte dabei in Silberschlägers spöttische Augen und ahnte, dass er in der Falle saß.
    »Sagen wir, ein kleines Vögelchen hat mir gezwitschert, dass Ihr dieser Tage ein winziges Kindchen ...« Er ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen, deutete nur mit Daumen und Zeigefinger an, wie winzig das Kindchen gewesen war, von dem er sprach.
    Richards Magen drehte sich um. Sibilla!, durchzuckte es ihn. Hatte sie sie verraten? Offenbar, denn wer sonst hätte dem Bürgermeister von dem toten Kind erzählen können?
    »Es ging nicht um Zauberei«, erklärte er, während seine Wangen erst heiß und dann eiskalt wurden. »Es ging darum, herauszufinden, wer den Bettler und die Hure ermordet hat, um deren Fälle Ihr Euch lieber nicht kümmert!« Angriff war die beste Verteidigung, dachte er. Vielleicht gelang es ihm, Silberschläger wenigstens ein bisschen von seiner

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