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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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immer liegen. Vielleicht war es ja ein Zufall. Vielleicht hieß der andere, der dort gerufen wurde, auch Raphael!
    Doch noch einmal zischte die Stimme: »Raphael Krafft!«
    Jetzt endlich trieb es Raphael aus dem Bett. Wieder tappte er ans Fenster. Diesmal beugte er sich hinaus.
    »Wer ist da?«
    Unten in der Gasse stand eine Gestalt, die sich in einen langen, dunklen Mantel gehüllt und eine Kapuze tief ins Gesicht gezogen hatte. Eine der Fackeln, die der Doktor dem Gesetz gemäß an der Außenwand seines Hauses entzündet hatte, warf einen hellen Schlagschatten auf sie.
    »Ich bin es!«, wisperte die Gestalt und sah sich um, ob sie auch nicht beobachtet wurde. Dann schlug sie die Kapuze zurück, so dass Raphael ihr Gesicht sehen konnte.
    Ihm blieb die Spucke weg. »Was machst du denn hier?«, entfuhr es ihm.
    »Scht!« Rasch zog die Gestalt die Kapuze wieder über. »Niemand darf wissen, dass ich hier bin. Komm runter, ich muss dringend mit dir reden!«
    Raphael zog den Kopf zurück in die Kammer. Dann nickte er. Erst danach fiel ihm auf, dass sein Besucher das nicht sehen konnte, und er beugte sich noch einmal nach draußen. »Ich komme!«, wisperte er. »Geh nach hinten auf den Hof! Dort kann uns niemand beobachten!«
    So leise er konnte, schlich er die Treppen hinunter. Der Hinterausgang war nur durch die Küche zu erreichen, und da Raphael Lichtschein unter der Tür sah und vermutete, dass der Doktor dort noch werkelte, beschloss er, das Haus durch die Vordertür zu verlassen. Er nahm den Hausschlüssel von seinem Haken auf dem Flur und schloss auf.
    Erst, als er bereits auf dem Hausstein stand, bemerkte er, dass er vergessen hatte, seine Schuhe anzuziehen. Eisig kalt drang es durch seine Strümpfe hindurch, und sofort begannen seine Zehen zu schmerzen.
    Kurz spielte er mit dem Gedanken, noch mal umzukehren, aberdann siegte seine Neugier. Den Kopf schüttelnd über den unerwarteten Besuch, huschte er um die Hausecke und hinauf auf den dunklen Hinterhof. Der Doktor hatte die Läden der Küche verschlossen, so dass die Fläche nur von den wenigen Sternen beleuchtet wurde, die sich in dieser Nacht am Himmel zeigten.
    »Wo bist du?« Er sah sich um. Im ersten Moment wirkte der Hof verlassen, aber als Raphael gerade schon glaubte, einem Nachtmahr aufgesessen zu sein, trat die Gestalt aus den Schatten, die der Dachüberstand auf die Erde warf.
    »Hier!«, sagte sie leise.
    Raphael wollte sich umdrehen. »Was ...« Er kam nicht mehr dazu, zu Ende zu sprechen, denn ein glühendheißer Schmerz explodierte in seiner Nierengegend. Ein gellender Schrei entwich seiner Kehle und wurde abgeschnitten, als ihm ein zweiter Schmerz in den Hals fuhr. Er spürte, wie die Luft, die er eigentlich hatte herausschreien wollen, seitlich aus seiner Kehle entwich. Er wollte etwas sagen, wollte fragen, was das zu bedeuten hatte. Aber alles, was er noch herausbrachte, war ein langgezogenes, pfeifendes Ächzen.
    Er spürte, wie seine Beine unter ihm nachgaben. Der Boden kam rasend schnell näher, doch den Aufprall bemerkte er nicht mehr.
    Katharina erwachte von einem unheimlichen Schrei, der so sehr gedämpft wurde, dass sie zunächst glaubte, ihn sich nur eingebildet zu haben. Mit einem Ruck fuhr sie in die Höhe.
    Im selben Moment ertönte das Gurgeln, und gleichzeitig wusste sie, warum es so gedämpft war. Die geschlossenen Fensterscheiben ihres Schlafzimmers waren schuld daran.
    Kurz war sie verwirrt. Wo war sie eigentlich? Doch noch bevor sie diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, wusste sie es wieder. In Egberts Haus.
    Egbert!
    Der Gedanke durchfuhr sie wie ein Dolchstoß. Es musste spät sein, und noch immer war das Bett neben ihr leer.
    Wo war ihr Mann?
    Die Schlafzimmertür stand einen Spalt breit offen.
    »Egbert!«, rief sie und versuchte, sich aus dem ungewohnten Gewirr von Laken und Kissen zu befreien.
    »Bleib im Zimmer!«, befahl er. Dem Klang seiner Stimme nach zu urteilen, war er unten im Haus. Im Flur vielleicht, oder in der Küche. Katharina hörte einen schleifenden Laut, dann ein Klirren, und es dauerte einen Moment, bis sie begriff, dass Egbert sein Schwert gezogen und die Scheide achtlos auf den Boden hatte fallen lassen. Dann erklang ein Geräusch, das ihr sagte, dass er die Hintertür aufgerissen hatte.
    Sie befreite endlich ihre Beine aus den Laken und stürzte zum Fenster, um es zu öffnen.
    »Halt!«, hörte sie ihren Mann schreien. »Stehenbleiben!«
    Schnelle Schritte erklangen. Jemand lief davon. Egbert schrie

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