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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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dann in die Küche, wo sie ihn auf den Schemel sinken ließen.
    »Macht mehr Licht!«, bat Katharina Lukas.
    Er tat wie verlangt. Während er sich daranmachte, mehrere im Raum verteilte Kerzen zu entzünden, untersuchte sie Egbert. Eine Wunde lief quer über seine Handfläche, und sie blutete stark. Egbert verzog das Gesicht, als Katharina sie untersuchte. Das Blut auf seiner Wange stammte nicht aus einer Wunde, sondern er schien es von seinen Händen dort abgestreift zu haben. Katharina befahl Lukas, sauberes Wasser und Tücher zu holen. Als das geschehen war, begann sie die Wunde zu säubern.
    Egbert saß völlig still und sah ihr dabei zu. Vorn an der Haustür wurden Stimmen laut, dann zog jemand am Klingelzug. Die Nachbarn waren gekommen, um zu sehen, was geschehen war.
    Katharina schickte Lukas, damit er sich um sie kümmerte. »Sorgtauch gleich dafür, dass die Büttel kommen!«, fügte sie noch hinzu, bevor der junge Mann die Küche verließ.
    Dann wandte Katharina sich wieder ihrer Aufgabe zu.
    »Was ist geschehen?« Sie warf einen kurzen Seitenblick zur noch immer offenstehenden Hintertür. Raphaels Leiche konnte sie von hier aus nicht sehen.
    »Ich konnte es nicht verhindern«, wiederholte Egbert. Er räusperte sich, zog Luft durch die Zähne, als Katharina das Tuch auf seine Wunde presste. Dann fügte er hinzu: »Ich wollte Raphael zur Hilfe kommen, aber er war bereits tot. Immerhin konnte ich verhindern, dass der Kerl ihm das zweite Auge auch noch aussticht.«
    Der Kerl! Katharina schauderte.
    Und sie hatte geglaubt, Mirjam wäre die Mörderin gewesen!
    Was für ein schrecklicher Irrtum.
    Sie schluckte schwer. »Hast du ihn erkennen können?« Sie tauchte das Tuch in die Schale mit Wasser, die Lukas ihr hingestellt hatte. Rote Schlieren wallten darin auf.
    Vorn im Haus redete Lukas mit mehreren Männern. Katharina konnte seine Stimme hören, etwas schrill von der Aufregung, mit der er schilderte, was geschehen war.
    Egbert schüttelte den Kopf. Er sah grimmig aus. »Leider nicht. Ich bin wach geworden, weil ich glaubte, im Haus Schritte gehört zu haben. Also bin ich nach unten, und tatsächlich hat Raphael hinten auf dem Hof jemanden angesprochen. Und dann hörte ich nur seinen Schrei und dieses furchtbare Gurgeln, als der Mörder ihm die Kehle durchschnitt. Ich wollte ihm zur Hilfe kommen, aber es war längst zu spät. Als ich durch die Küche hindurch und draußen war, beugte sich der Mistkerl gerade über die Leiche und stach ihr das Auge aus. Ich rief ihn an, aber er reagierte mit schier unheimlicher Geschwindigkeit. Bevor ich’s mich versah, stürzte er in der Finsternis an mir vorbei und runter vom Hof. Ich wollte ihn aufhalten, aber ich griff nur in das Messer.« Er hob seine Hand, um zu zeigen, wozu das geführt hatte. »Wozu sticht jemand einem Toten ein Auge aus?« Er schüttelte den Kopf.
    In Katharinas Schädel wurde das Schwindelgefühl stärker.
    Ausgestochene Augen ... Sie presste die Zähne zusammen.
    Lukas hatte die Männer inzwischen um das Haus herum und in den Hinterhof geführt. Ihre Stimmen erklangen jetzt von dort und drangen durch die offenstehende Küchentür herein.
    »Jemand muss die Büttel holen!«, hörte Katharina eine von ihnen sagen.
    »Halt still!«, befahl sie Egbert. Sie beendete das Säubern der Wunden und warf den Lappen in die Schüssel. Dann nahm sie einen sauberen Streifen Leinen, den Lukas zusammen mit dem Wasser herbeigeschafft hatte, und verband Egberts Hand. »Es ist nicht der erste Mord dieser Art«, verriet sie ihrem Mann.
    Erstaunt blickte er sie an. »Es gibt noch mehr Tote mit ausgestochenen Augen? Versucht da jemand das Starstechen zu üben, oder was?«
    Katharina runzelte die Stirn, dann erzählte sie Egbert von den Morden an Dagmar und an Heinrich.
    »Ein Bettler, eine Hure. Und ein Abtrittanbieter?« Egbert schob die Unterlippe vor und überlegte. »Was gibt es da für einen Zusammenhang?«
    Sosehr Katharina es auch bedauerte: Sie hatte darauf keine Antwort.
    Der Rest der Nacht verging wie ein einziger Alptraum. Einer der Nachbarn war gelaufen und hatte die Büttel von dem Mord unterrichtet. Es dauerte nicht lange, da tauchten sie zu zweit auf, betrachteten die Angelegenheit von allen Seiten und befragten alle Anwesenden nach dem, was sie gesehen und gehört hatten.
    Wegen der abgeschiedenen Lage des Hinterhofes war keiner der Nachbarn eine wirkliche Hilfe, und so war es Egbert, der als Einziger den Mörder gesehen hatte.
    »Es war dunkel!«,

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