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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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das Wachs unter sich noch verflüssigen können.
    Richard sah sich um.
    Der Mesner befand sich bei einem Seitenaltar und tauschte dort die verwelkten Blumen gegen frische aus.
    Bei seinem Anblick kam Richard eine Idee. »Entschuldigt«, sprach er den Mann an.
    Er wurde aus missgünstig zusammengekniffenen Augen gemustert. »Ja? Womit kann ich Euch dienen?« Der Tonfall, den der Mann anschlug, klang eher nach »Schert Euch zum Teufel!«, doch Richard ließ sich davon nicht beeindrucken.
    »Der Tote im Turm«, begann er.
    »Seid Ihr immer noch auf der Suche nach dem Mörder? Ich dachte, es wäre klar, dass die Juden es waren.«
    Sanft schüttelte Richard den Kopf. »Inzwischen ist deutlich geworden, dass wir uns da geirrt haben. Jemand hat versucht, ihnen das Ganze anzuhängen, und das ist auch der Grund, warum ich hier bin. Habt Ihr den Türmer gekannt?«
    »Selbstverständlich. War’n komischer Kauz!«
    »Wie konntet Ihr das feststellen, in so kurzer Zeit?«, meinte Richard.
    Der Mesner runzelte verständnislos die Stirn. »Wieso in so kurzer Zeit? Der Türmer war schon seit vielen Jahren im Amt.«
    Ein Kribbeln erfasste Richard und rann von seinem Scheitel bis hinunter zu seinem Rückgrat. Endlich bekam er zu fassen, was ihm bisher bei jeder Erwähnung des Türmers so beschäftigt hatte.
    »Aber das kann doch nicht sein«, widersprach er. »Ist nicht der Türmer im Sommer erst gestorben?« Er erinnerte sich nun an ein Gespräch, das er im August mit Enzo Pömer geführt hatte. Damals hatte der Kaufmann ihm gegenüber genau das behauptet.
    Der Mesner jedoch schüttelte energisch den Kopf. »Ihr müsst Euch irren! Wenn wir einen neuen Türmer bekommen hätten, dann müsste ich es ja wohl wissen.«
    Nachdenklich nickte Richard.

23. Kapitel
    Es dämmerte bereits, als Wilhelm von Hohenheim das Fischerhaus endlich wieder verließ.
    Er hatte zunächst mit Egbert zusammen in der Küche schier endlose Gespräche über die Kunst der Medizin geführt und war dann mit Katharinas Mann gemeinsam nach oben in Raphaels Kammer gegangen, um den Mann zu untersuchen.
    Mit einer Mischung aus Enthusiasmus und kindlichem Eifer verabschiedete er sich anschließend.
    Egbert schloss die Haustür hinter ihm. Lächelnd drehte er sich zu Katharina um.
    »Er war schon immer so ein eifriger Mann«, sagte er. »Er ist sympathisch, oder?« In seinen Augen funkelte es. Dann richtete er den Blick direkt auf Katharinas Gesicht. »Hast du irgendetwas?«
    Katharina wollte abwinken, aber Egbert meinte: »Ich kenne dich zu gut, Katharina! Du hast irgendwas!«
    Und da hielt Katharina es nicht mehr aus zu schweigen. »Ja!«, rief sie aus. »Ich habe etwas! Du kommst nach Hause, nach Monaten, in denen du fort warst, in denen ich geglaubt habe, du seist tot, Egbert! Und alles, was du für mich übrig hast, ist eine kühle Umarmung, ein knappes ›Ich habe dich so vermisst!‹, und dann schließt du dich tagelang in deinem Labor ein!« Sie merkte, dass sie schrie, aber es kümmerte sie nicht. Tränen rannen ihr über das Gesicht. Sie wischte sie nicht fort.
    Egbert sah aus, als habe sie ihm eine Ohrfeige verpasst. »Das ... das ist ungerecht, Katharina! Ich versuche immerhin, ein Heilmittel für deine Krankheit zu finden!«
    Und plötzlich wallte Zorn in Katharina auf, so kraftvoll, dass ihr davon fast die Luft wegblieb. »Ja!«, keuchte sie, »das tust du. Weil du es nicht ertragen kannst, eine Frau zu haben, die nicht deinen Ansprüchengenügt! Weil es dir wichtiger ist, diese elende Medizin zu finden, als mich in den Arm zu nehmen! Weil ...«
    »Du willst in den Arm genommen werden?« Jetzt schrie auch Egbert. Seine Augen glitzerten vor mühsam unterdrückter Wut. Mit einer brutalen Geste packte er Katharina am Handgelenk. »Du willst beachtet werden? Gut!« Er zerrte sie zur Treppe.
    Sie stemmte sich gegen seine Kraft. »Was tust du?«
    »Ich beachte dich!«, knurrte er mit über die Zähne zurückgezogenen Lippen. »Wie du es verlangst.« Er begann, die Treppe zu erklimmen, Stufe um Stufe zog er Katharina mit sich.
    »Lass mich!« Sie versuchte, sich loszureißen, aber er hatte zu viel Kraft für sie.
    Mit einem Tritt stieß er die Tür zu seiner – zu ihrer gemeinsamen Schlafkammer auf, und Katharina wurde eiskalt.
    »Nein, Egbert!« Jetzt war aller Zorn schlagartig verraucht und machte kalter Angst Platz.
    »Was?«, herrschte er sie an. »Hast du es dir anders überlegt? Ich dachte, du willst beachtet werden!« Und mit einem brutalen Stoß warf er

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