Cherubim
werden!«
Katharina bog um die Ecke, an der das Kornhaus bei St. Claren stand. Sie musste einer Frau mit einem Korb voller Eier ausweichen, bevor sie antworten konnte. »Weil dieser Mörder weiß, wie man unbemerkt in das Kloster kommt. Und ich habe es ihm erzählt!«
»Aha.« Egbert packte Katharina am Arm und zerrte sie zurück. Ein Fuhrwerk rumpelte so dicht vor ihrer Nase vorbei, dass sie glaubte, das Holz der Aufbauten riechen zu können. »Und wer ist dieser Mörder?«
»Wilhelm von Hohenheim.« Katharina rannte weiter, ohne darauf zu achten, ob Egbert auch hinter ihr herkam.
»Wilhelm?« Egbert stieß ein ungläubiges Lachen aus.
»Ja!« Katharina fröstelte bei dem Gedanken, wie sympathisch ihr der Mann gewesen war. Wie viel sie ihm anvertraut hatte.
»Wie kommst du darauf, dass er es war?«
»Die Augen!«, meinte Katharina. »Ich glaube, dass alles mit den ausgestochenen Augen zusammenhängt. Hartmann Schedel hat mir erzählt, dass Hohenheims Frau in der Kunst des Starstechens bewandert ist. Er selbst meinte neulich, dass seine Frau sich über die medizinischen Erkenntnisse freuen wird, die er von hier mitbringt. Ich habe das zunächst nicht mit den Morden in Verbindunggebracht, aber ich glaube jetzt, dass Hohenheim an den Toten irgendetwas ausprobiert hat. Eine neue Staroperation, oder so.
»Hm«, machte Egbert. »Und dazu musste er töten?«
Im Laufen warf Katharina ihm einen Seitenblick zu. »Irgendwie hängt alles mit den schwarzen Augen zusammen. Das ist die einzige Erklärung!«
Er schürzte die Lippen. »Ich weiß nicht.«
Vor ihnen tauchte die Fassade des Klosters auf, und Katharina verlangsamte ihre Schritte. »Glaub mir, ich wäre froh, wenn ich mich irren würde. Ich mag Hohenheim. Aber ich kann das Risiko nicht eingehen, dass er der Mörder ist. Ich muss Kunigunde warnen!«
Sie blieb vor der Tür zum Torhäuschen stehen. So fest sie es vermochte, pochte sie dagegen.
Dann wartete sie voller Ungeduld, bis das kleine Fensterchen geöffnet wurde und die Nonne mit dem missmutigen Gesicht herausschaute. »Was wollt Ihr?«, fragte sie barsch.
»Die Priorin«, keuchte Katharina.
Die kühlen Augen der Nonne musterten erst sie, dann Egbert.
»Ich muss zu ihr!«, rief Katharina. »Es kann sein, dass sie in höchster Gefahr ist!«
»Sie befindet sich hinter geweihten Mauern«, gab die Nonne blasiert zurück. »Gott selbst wacht über sie.«
»Ja, schon. Aber ...«
Die Nonne zuckte die Achseln. Und schlug Katharina die Klappe vor der Nase zu.
Nach Luft schnappend vor Empörung, wandte sie sich zu Egbert um. »Das ist doch die Höhe!« Dann fasste sie einen Entschluss. Um Kunigunde zu retten, würde sie zu ähnlichen Mitteln greifen, wie Maria es getan hatte. Sie schauderte bei dem Gedanken, die Kirche zu entweihen, aber es gab keine andere Möglichkeit. »Ich weiß einen anderen Weg hinein!« Ohne sich zu erklären, machte sie kehrt und lief zum Portal der Kirche.
Bitte, bitte, flehte sie im Stillen. Lass es offen sein!
Sie prallte mit der Handfläche schmerzhaft gegen das schwere Holz des Portals, aber zu ihrer Erleichterung schwang die Tür auf,als sie an ihrem Griff zog. Tiefe, weihrauchgeschwängerte Ruhe umfing sie.
So schnell sie konnte, eilte Katharina das Kirchenschiff entlang nach vorn zum Lettner, wo sich die winzige Pforte befand, durch die man den heiligen Chor betreten konnte. Den Chor, in dem die Nonnen an den Messen teilnahmen. Von dort aus gab es einen Weg ins Kloster. Der Weg, den sie selbst Hohenheim verraten hatte. Katharina drückte gegen die Pforte. Sie war versperrt! Grenzenlose Enttäuschung übermannte sie.
Sie wollte gerade den Kopf hängen lassen, als ihr etwas auffiel. Ein Seil war durch die Schnitzereien geschlungen und sicherte die Pforte auf diese Weise. Offenbar hatte Marias Eindringen den Nonnen deutlich gezeigt, dass ihre Klausur nicht so streng war, wie sie gedacht hatten.
Aber hieß das auch, dass Hohenheim nicht in das Kloster gelangt war? Was, wenn er den Knoten hinter sich einfach wieder geknüpft hatte?
»Katharina?« Egberts Stimme hallte dumpf durch den leeren Kirchenraum.
»Ich bin hier vorn!«, rief sie. Sie zerrte an dem Knoten, aber er war zu fest geschlungen. Mit bloßen Fingern bekam sie ihn nicht auf. »Hast du deinen Dolch dabei?« Früher, das wusste sie noch, hatte er sich nur zum Schlafen von seinem Dolch getrennt. Er leistet einem Heiler oft gute Dienste , hatte er immer gesagt. Und: Ein guter Arzt geht nie ohne Dolch aus dem
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