Cherubim
ab.
Konnte es wirklich sein?
Es wäre eine Erklärung für den verwirrten Eindruck gewesen, den Katharina neulich gemacht hatte.
Langsam hob Richard den Kopf. Das Brot lag unberührt auf seinem Teller. Ihm war jeglicher Appetit vergangen. »Ich muss mich selbst davon überzeugen«, sagte er.
Dann stand er auf.
Arnulf blickte seufzend auf den gedeckten Tisch. »Ich komme mit.«
Nachdem der Doktor aus dem Haus gestürmt war, stand Lukas eine Weile unschlüssig in der Küche herum. Da er nichts anderes tun konnte, als zu warten, beschloss er, ein wenig aufzuräumen. Der Doktor hatte nicht nur die Opera Omnia aus dem Regal geholt, sondern auch noch zwei der anderen Bücher. Lukas kannte ihn langegenug, um die Bände nicht anzurühren, denn er wusste, dass es Gründe hatte, wenn der Doktor sie an bestimmten Stellen aufgeschlagen liegen ließ. Doch um die herumstehenden Töpfchen und Tiegel konnte er sich kümmern.
Die Herstellung des apricum war abgeschlossen. Der Doktor hatte eine ordentliche Portion der Substanz in eine hübsche Dose gefüllt und mit Wasser bedeckt, nachdem ihm kurz zuvor ein Stück davon an der Luft in Flammen aufgegangen war. Die Dose hatte er ganz oben auf dem Regal platziert. Sämtliche Geräte, die er benutzt hatte, standen hingegen ungereinigt herum.
Lukas begann, sie zusammenzuräumen.
Während er damit beschäftigt war, den Dreifuß vom Ruß des Herdfeuers zu befreien, fiel sein Blick auf die Opera Omnia. Neugier erwachte in ihm, zu erfahren, wonach der Doktor gesucht hatte.
Er stellte den Dreifuß auf den Herd zurück, dann ging er zum Tisch hinüber und warf einen Blick auf die aufgeschlagene Seite.
Im nächsten Moment wurde er blass.
»Katharina, warte!«
Mitten auf dem Hallplatz blieb Katharina stehen und drehte sich zu dem Rufer um.
Egbert schloss zu ihr auf, und als er sie erreicht hatte, lächelte er sie an. »Ich dachte mir, ich begleite dich. Nur für den Fall, dass der Mörder deine Nonne schon aufs Korn genommen hat.«
Katharina erwiderte sein Lächeln.
Und sie wusste nicht, ob sie erleichtert oder beunruhigt sein sollte.
Es dauerte eine Weile, bis jenseits der Tür des Fischerhauses Schritte ertönten, nachdem Richard an dem verzierten Klingelzug gezerrt hatte.
Sein Herz klopfte ihm in der Brust, und er wusste nicht, ob es von dem raschen Tempo herrührte, das er auf dem Weg angeschlagen hatte, oder vielmehr von der Angst vor den Dingen, die er hier erfahren würde.
Arnulf stand ein Stück hinter ihm. Als Richard sich zu ihm umwandte, da zuckte er die Achseln. Sein Blick war ausdruckslos.
Endlich wurde geöffnet.
Ein junger Mann stand vor Richard, dessen Oberlippe durch eine hässliche Hasenscharte gespalten war. Der Mann blickte ihn an, runzelte fragend die Stirn. Dann fiel sein Blick auf Arnulf. »Ihr!«, sagte er.
Arnulf nickte und überließ Richard das Sprechen.
Der musste sich räuspern, bevor er einen Ton hervorbrachte. »Wohnt hier ein Egbert Jacob?«
Der junge Mann nickte. »Ja. Wieso?« Er ließ seinen Blick an Richards Gestalt auf und ab wandern und befand, dass es vonnöten war, etwas hinzuzufügen: »Er ist zurzeit nicht da, und seine Frau leider auch nicht. Kann ich ihm irgendetwas ausrichten?«
Seine Frau ...
Die Stimme des jungen Mannes hallte in der Tiefe von Richards Herzen wider, und er spürte, wie es schwer wurde. Also hatte Arnulf recht gehabt: Egbert Jacob war am Leben!
Er fühlte sich, als habe man ihm den Boden unter den Füßen fortgezogen.
»Mein Herr?« Der junge Mann legte irritiert den Kopf schief, als Richard ihm nicht antwortete.
Richard blinzelte. »Ich ... nein, es ist nicht nötig. Ich wollte nur ...«
»Kennt Ihr den Doktor?«, fragte der junge Mann da.
»Ihn nicht, aber seine ... Frau. Sie ist ... eine Bekannte.« Der Atem wollte ihm wegbleiben bei diesen Worten. Arnulf trat einen Schritt dichter hinter ihn, und er war sich der Gegenwart des Freundes nur allzu bewusst.
»So?« fragte der junge Mann. Jetzt erst fiel Richard auf, dass er von eigenartiger Blässe war. Auch er wirkte fahrig, voller Sorge. Und plötzlich trat er ein Stück zurück und gab damit die Haustür frei. »Kommt doch bitte herein! Wenn Ihr Frau Katharina so gut kennt, wie Ihr sagt, dann wisst Ihr vielleicht zu deuten, was heute Morgen geschehen ist.«
»Was ist mit Katharina?« Rasch kam Richard der Aufforderung nach. »Redet!«, bat er.
Der junge Mann stellte sich als Lukas von Minden vor. »Ich binein Schüler von Doktor Jacob«, fügte er
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