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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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klar, warum Ihr diesen Herrn hier zu dieser Sache hinzuzieht.« Er schoss einen finsteren Blick auf Richard ab. »Der Türmer ist tot, und es ist meines Erachtens Eure Aufgabe, diesen Tod zu untersuchen.«
    »Nun«, Silberschläger warf einen Blick in die Runde, aber der Mesner hatte die Kirche verlassen, und außer der Frau am Bartholomäus-Altar befanden sich nur noch einige Gläubige weit vorn im Kirchenschiff, die vor dem Grab des heiligen Sebald beteten. Es bestand keine Gefahr, dass sie seine Worte mitanhören konnten. »Ich sagte Euch bereits, dass die Leiche einige sehr ungewöhnliche Merkmale aufweist, die Grund zu der An...«
    Flechner fiel ihm mitten ins Wort: »Ich werde Euch nach oben in den Turm begleiten!«
    Während der Bürgermeister und der Praepositus begannen, über diese Frage zu streiten, hatte Richard Gelegenheit, über das nachzudenken, was er am Vorabend erfahren hatte: Nachdem das Ausbleiben der Stundenglocke darauf hingedeutet hatte, dass mit dem Türmer etwas nicht stimmte, hatte Silberschläger einen Büttel damit beauftragt, im Turm nach dem Rechten zu sehen. Der Türmer war vom Stadtrat bestellt, und aus diesem Grund gab es im Rathauseinen Zweitschlüssel für seine Wohnung. Mit Hilfe dieses Schlüssels hatte der Büttel die Wohnung betreten und die Leiche gefunden. Daraufhin hatte er die Tür sorgsam wieder zugesperrt und umgehend Meldung erstattet.
    »Aber bedenkt doch, der besondere Zustand der Leiche!«, rief Silberschläger jetzt aus und holte Richard damit aus der Vergangenheit zurück in die Gegenwart.
    Der besondere Zustand! Die Leiche, das hatte Silberschläger ihm gestern abend im Vertrauen zugeflüstert, war stark verwest.
    Was auch der Grund für das Rätsel war, das sie aufgab. Bis zum gestrigen Tag hatte der Türmer regelmäßig und zuverlässig die Glocken geläutet. Wie konnte es dann sein, dass seine Leiche kaum ein halbes Dutzend Stunden, nachdem er damit aufgehört hatte, in einem solchen Zustand war?
    Richard verspürte ein leises Prickeln sein Rückgrat hinunterrinnen, und er wunderte sich über sich selbst. Warum nur hatter er nicht für den Rest seines Lebens genug von Leichen? Was machte er eigentlich hier?
    Eigentlich hatte er vorgehabt, einen Blick auf die Leiche zu werfen und Bürgermeister Silberschläger dann ausreichend Theater vorzuspielen, um ihn glauben zu lassen, dass er in Wirklichkeit sehr viel weniger Ahnung von der Leichenbeschau hatte als angenommen. Gestern Abend, unter dem Einfluss des Bieres, war ihm diese Idee gut erschienen: Er würde Silberschläger seinen Gefallen tun, würde sich dabei als unfähig erweisen und wäre somit für dessen Vorhaben völlig untauglich.
    Dass er jetzt dieses Prickeln verspürte, dass er begierig darauf war, das Rätsel um die Leiche im Turm zu lösen, passte nicht in seinen so rasch und spontan gefassten Plan.
    »Gut.« Endlich lenkte Flechner ein. »Dann lasst uns diese unglückselige Angelegenheit endlich hinter uns bringen!« Er räusperte sich. Sah Richard an.
    Der nickte. »In Gottes Namen.« Der Anblick der Ratte fiel ihm wieder ein, das blasse Ding, das sie im Maul getragen hatte. Er verbannte das Tier aus seinem Geist. Ein Hühnerbein!, redete er sich ein. Wahrscheinlich war es nur ein Hühnerbein, das sie getragen hat. Aber die Vorstellung, dass dort oben, nur wenige Wendungen der engen Turmtreppe über ihnen, ein Toter lag, an dem die Tiere knabberten, weckte ein seltsames Gefühl in seinem Innersten, eine unangenehme Mischung aus Anspannung und Abwehr, aus dem Wunsch, die Leiche endlich mit eigenen Augen zu sehen, und der Angst genau vor diesem Moment.
    Zusammen mit Silberschläger und Flechner wandte er sich dem Fuß des Nordturmes zu. Eine schmale Holztür war dort in die Wand eingelassen, und Silberschläger hakte einen langen Schlüssel von seinem Gürtel ab, um sie damit aufzuschließen. Die Wand, durch die die Tür führte, war mehrere Ellen dick, und die Wendeltreppe zog sich dahinter Windung um Windung in die Höhe.
    Während sie die schier endlosen Stufen hinaufstiegen, erzählte Silberschläger Richard von der Arbeit der Türmer und der Besonderheit, derer sich Nürnberg rühmen konnte.
    »Seine Aufgabe ist es natürlich, nach Bränden Ausschau zu halten und den Bürgern die Stunde zu schlagen. Aber wusstet Ihr, dass in St. Sebald eines dieser neuartigen Instrumente steht, eine mechanische Uhr?«
    Richard schüttelte den Kopf. Es wunderte ihn, woher der Bürgermeister den Atem nahm, mit

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