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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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hinter Katharina zurück ins Schloss fiel.
    Mit einem flauen Gefühl marschierte Katharina ein paar Stufen hinauf und einen Gang entlang, dann durch eine Halle, eine Treppe hinauf und wieder einen Gang entlang, bis sie zu jener Tür kam, hinter der früher Jörg Zeuner residiert hatte.
    Unwillkürlich verkrampften sich Katharinas Nackenmuskeln. Als sie das letzte Mal in diesen Räumlichkeiten gewesen war, hatte man sie wegen Hexerei verhaftet. Sie bemühte sich um einen ruhigen, gleichmäßigen Atem. Die damalige Anklage war vom Tisch, sie eine freie, unbescholtene Frau. An diesen Gedanken klammerte sie sich, als sie die Hand hob und an die Tür klopfte.
    »Herein!«
    Die Stimme, die das sagte, klang ein wenig nasal.
    Katharina fasste sich ein Herz. Dann trat sie ein. Die Schreibstubehatte sich sehr verändert seit dem letzten Mal. Üppige, fast lüstern wirkende Wandmalereien, die es früher nicht gegeben hatte, zierten jetzt die Wände. Eine Frau in einem knappen fellartigen Gewand fiel Katharina auf, die einen Bogen spannte. Bevor sie weitere Einzelheiten der Malerei betrachten konnte, sprach der Mann, der hinter dem Schreibpult saß, sie an.
    »Womit kann ich Euch dienen?«
    Er war recht massig gebaut, aber nicht dick, sondern eher kräftig.
    »Seid Ihr Bürgermeister Silberschläger?« Katharina schob die Tür hinter sich zu. Sie kam sich vor wie in einer Falle.
    »Ja.«
    »Ich bin gekommen, weil ich etwas über einen Mord weiß, der ...«
    Solche Verblüffung zeichnete sich in Silberschlägers Gesicht ab, dass Katharina sich unterbrach. Fragend sah sie den Mann an.
    »Sprecht weiter!« Voller Aufmerksamkeit und mit leicht glänzenden Augen sah er sie an. Die Ellenbogen hatte er auf die Lehnen gestützt und die Hände zu einem Dreieck zusammengelegt, über das er Katharina fixierte.
    »Der Tote in der Brandruine an der Frauentormauer«, begann Katharina.
    Und das eben erst erschienene Interesse in Silberschlägers Gesicht erlosch. Fast sah er ein wenig enttäuscht aus. »Was ist mit ihm?«
    »Ihr untersucht doch seinen Tod? Ihr seid dafür zuständig, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte er. Es klang wie »Leider!«.
    »Gestern Abend ...« – Katharina zögerte bei der Erinnerung – »... war ich dort, und ich sah eine Gestalt, die sich von dem Ort des Mordes entfernte.«
    »So?«
    »Ja. Es schien sich um einen Bürger zu handeln, jedenfalls waren die Kleider, die er trug, von kostbarer Natur.«
    »Und?«
    Katharina kehrte die Handflächen nach oben. »Ich dachte mir, dass es für Euch vielleicht von Interesse sein könnte, zu erfahren, dass ...« Sie brach ab. Auf einmal kam sie sich albern vor. Albernund dumm. Was, wenn Silberschläger allein aus der Tatsache, dass sie am Ort des Geschehens gewesen war, auf die Idee kam, sie könnte mit dem Mord etwas zu tun haben? Wie schnell man sich einem falschen Verdacht ausgesetzt sah, hatte sie vor drei Monaten schließlich am eigenen Leibe erfahren.
    Und noch ein anderer Gedanke überlief sie siedendheiß. Was, wenn er begann, sich umzuhören und die Bettler in Heinrichs Umfeld ihm verrieten, dass sie, Katharina Jacob, ihre Ratsauflagen missachtete und doch noch als Heilerin arbeitete?
    »Ihr meint also, der Mann, der den Bettler umgebracht hat, sei ein Bürger gewesen?« Silberschläger schnaubte amüsiert. »Vielleicht noch jemand vom Patriziat, oder wie?«
    Warum nicht?, wollte Katharina fragen, aber der spöttische Blick ihres Gegenübers ließ sie den Mund halten. Hilflos zuckte sie die Achseln.
    Da erhob sich Silberschläger. »Ich glaube, Ihr solltet jetzt lieber gehen!«
    Katharina sah ihn an. »Aber ...«
    Mit ein paar schnellen Schritten umrundete Silberschläger sein Pult und beugte sich über Katharina. Sein Atem roch unangenehm, leicht muffig, als faule irgendwo in seinem Kiefer ein Zahn unbemerkt vor sich hin. »Frau!«, sagte er. »Ihr glaubt doch nicht, dass ich meine kostbare Zeit damit verschwenden werde, Euren Hirngespinsten nachzujagen!«
    »Es ist kein H...«
    »Ein Bettler ist keinesfalls wichtig genug, um einem Angehörigen des Bürgertums einen Grund für einen Mord zu liefern, begreift das doch!«
    Katharina stemmte sich aus dem Sessel in die Höhe, um dem faulen Atem zu entkommen. Einen Schritt wich sie zurück, doch Silberschläger setzte nach. Er sah aus, als sei ihm soeben ein Gedanke gekommen. »Darüber hinaus habe ich mich um einen sehr viel, hm, wichtigeren Mord zu kümmern«, sagte er. »Irgendwelche jüd... Ketzer haben eine Leiche im Grab

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