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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Wangen zierten zwei große rote Flecken, wie immer, wenn er aufgeregt war. Aus seinen Augen leuchtete Neugier.
    Eberlein war jener Büttel, den Silberschläger gestern mit dem Auftrag betraut hatte, nach dem Türmer zu sehen. Er war es gewesen, der die Leiche in der Türmerstube gefunden und Silberschläger anschließend sofort Bericht erstattet hatte.
    Und er war auch derjenige, der Silberschläger geholfen hatte, mitten in der Nacht die Leiche aus der Turmstube hinunter in die Kirche zu schaffen und ins Sebaldusgrab zu legen.
    »Kommt mit!«, befahl Silberschläger ihm und warf den Schneeball achtlos auf den Boden.
    Gemeinsam gingen sie ein paar Stufen hinauf und einen Gang entlang, von dem es durch eine breite und reichverzierte Doppeltür in den Großen Ratssaal ging. Doch Silberschläger schlug einen anderen Weg ein. Durch ein Gewirr aus längeren und kürzeren Fluren leitete er Eberlein in eine Halle, aus der eine Treppe in das obere Geschoss führte. Diese erklomm er und komplimentierte den Büttel dann in sein Kontor.
    Der Raum hatte schon seinem Vorgänger, Jörg Zeuner, als Schreibstube gedient, doch Silberschläger hatte ihn von Grund auf verändert. Er hatte das alte Pult gegen ein neues aus fast schwarzem Holz austauschen lassen und Befehl gegeben, die Wände mit griechischen Malereien zu versehen. Üblicherweise, wenn er sein Kontor betrat, betrachtete er erst einmal die Ansammlung von Göttern und Heldenfiguren, doch heute schenkte er ihr keinerlei Aufmerksamkeit, sondern setzte sich sofort hinter das Schreibpult.
    »Es verläuft alles zu unserer Zufriedenheit«, erklärte er und deutete auf einen Stuhl. »Nun, fast alles.« Er dachte daran, wie Sterner versucht hatte, den Zustand der Leiche mit irdischen Begründungen zu erklären, und knirschte mit den Zähnen.
    Eberlein setzte sich ebenfalls. Erwartungsvoll und mit einem Ausdruck von Bewunderung schaute er Silberschläger an.
    Der Mann war ein Geschenk Gottes, dachte der Bürgermeister. Dumm wie Brot und ihm gleichzeitig ergeben bis ins Mark, egal, was auch immer er ihm zu tun auftrug. Es war eben doch ein guter Einfallvon ihm gewesen, jene teure Medizin für Eberleins Tochter zu bezahlen, ohne die die Kleine heute längst ein Fressen für die Würmer gewesen wäre. Diese kleine Geste hatte ihm Eberleins Loyalität für alle Zeiten gesichert.
    Eberlein räusperte sich. »Ihr hattet mir versprochen, mir heute alles zu erklären. Warum ich Euch helfen musste, die Leiche in dem Grab zu verstecken, und so.«
    »Stimmt!« Silberschläger spürte, wie seine Fingerspitzen zu kribbeln begannen. Er streckte die Finger und presste sie flach auf die Oberfläche des Pultes. »Das Lochgefängnis ist voll von Schuldigen, die wir nicht ihrer gerechten Strafe zuführen können. Ein weiterer unaufgeklärter Mord, noch dazu ein so ekelerregender, würde die Ordnung weiter schwächen. Glücklicherweise«, er hob die Hände und verschränkte sie hinter dem Kopf, »bietet uns die Leiche die Gelegenheit, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.«
    »Das sagtet Ihr bereits gestern. Aber ich verstehe nicht, was Ihr damit meint.«
    »Nun, wenn wir es geschickt anstellen, können wir dem Rat den Mörder des armen Kerls in der Türmerstube präsentieren.« Womit er sich endlich seine ersten Sporen als Lochschöffe verdienen würde, fügte Silberschläger im Stillen hinzu. »Und zum anderen versetzen wir dem jüdischen Geldverleiherpack einen empfindlichen Schlag.«
    »Den Juden?« Eberlein runzelte die Stirn. »Woher wisst Ihr, dass der Mörder ein Jude ist?«
    Silberschläger nahm die Hände wieder herunter. »Weil wir soeben einen Davidstern gefunden haben. Der Mörder hat ihn in die Holzdielen in der Türmerstube geritzt.«
    Jetzt wirkte Eberlein ehrlich verblüfft. »Ein Davidstern? Das ist ein Judenstern, oder?«
    Silberschläger nickte. Sorgsam beobachtete er, wie es hinter der Stirn seines Büttels zu arbeiten begann.
    »Ich war gestern selbst dort oben«, murmelte er. »Und ich habe mir alles ganz genau angesehen.« Er schüttelte den Kopf. »Da war nirgends ein Judenstern!«
    Silberschläger wartete.
    Der Büttel rieb sich die Nase. Dann rutschte er auf seinem Stuhl hin und her. Und endlich dämmerte es ihm. »Ihr habt den Judenstern in den Boden geritzt?«
    Lächelnd blickte Silberschläger ihn an.
    »Ihr!« Eberlein lehnte sich zurück, beugte sich gleich darauf wieder vor. »Aber warum?«
    »Zwei Fliegen mit einer Klappe«, erinnerte Silberschläger ihn.
    »Das

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