Chicagoland Vampires 03 - Mitternachtsbisse
plötzlichen, magischen Entladung.
Die Luft knisterte vor Elektrizität, und all das war lebensbejahend und beängstigend zugleich. Immerhin handelte es sich um eine animalische Energie, die nicht meine war.
Ich konnte kaum stillhalten und wäre fast aus der Haut gefahren, wäre Ethan nicht nah genug an mich herangekommen, um Körperkontakt herzustellen. Ich war mir nicht sicher, ob er sich auf mich zu oder vom Rudel weg bewegte, aber es war ein ungemein tröstliches Gefühl, ihn an meiner Seite zu spüren.
Es war beruhigend und etwas Vertrautes in einem Wirbelwind der Gefühle, auf den meine Vampirsinne nicht sonderlich scharf waren.
Sei ruhig, sagte er und sprach nicht die Worte eines Liebenden aus, sondern den Befehl eines Meisters gegenüber seiner Novizin. Mein Herz schlug langsamer, als ob ich seinen Befehl befolgt hätte.
Jeff blieb kurz bei uns stehen, während er auf dem Weg zu Gabriel war. »Er ruft das Rudel«, erklärte er. »Soweit ich weiß, seid ihr die ersten Vampire, die das miterleben.«
»In Chicago?«, fragte ich.
»Die ersten Vampire überhaupt«, sagte er und ging dann weiter.
»Wir sind das Rudel!«, verkündete Gabriel, und die Formwandler begannen zusammenzurücken und sich um ihn zu versammeln. Als sich der hintere Teil des Raums leerte, sah ich Nick allein am Rand stehen, und ich nahm an, dass er diese Position eingenommen hatte, weil er mit Gabriel noch im Streit lag. Mit Gabriel im Streit zu liegen, bedeutete wohl, dass man mit dem Rudel im Streit lag.
Die anderen legten die Arme umeinander und wurden zu einem menschlichen Knoten, der an ein Rugbyspiel erinnerte. Doch diesmal drang die Magie nicht nach außen. Sie verdichtete sich, während sie sich zusammendrängten, und ihre Grenze war nur von unserem Platz am Rand der Menge zu erkennen. Als sich ihre Reihen nicht mehr enger schließen konnten, begann das Heulen erneut. Einige heulten durchgängig, was sich anhörte wie ein vierstimmiger Satz aus Tiergeräuschen, andere jaulten zufällig auf. Die Geräusche wurden stetig lauter, bis sie einen wilden Höhepunkt erreichten und die untereinander verhakten Reihen hin- und herschwankten, während sie sangen.
Endlich dämmerte es mir – das waren nicht einfach nur Töne, es handelte sich um Kommunikation, um gegenseitige Beteuerungen der Rudelmitglieder, dass sie beieinander und ihre Familien geschützt waren und das Rudel sicher war.
Es ist wunderschön, sagte ich zu Ethan und schätzte mich glücklich, dass ich etwas sehen durfte, was kein Vampir vor mir je gesehen hatte.
Der Ruf dauerte noch zehn oder fünfzehn Minuten an, während derer sich die Formwandler langsam voneinander lösten, bis sie wieder einzeln dastanden.
Gabriel stand noch auf der Couch, die Hände in der Luft, und sein schwarzes T-Shirt war völlig durchnässt. Das Rudel zu rufen – vieleicht auch die gesamte Magie unter Kontrolle zu halten – musste harte Arbeit gewesen sein.
»Willkommen in Chicago«, sagte er müde lächelnd und rief damit weiteres Gejohle beim Publikum hervor. »Schon bald werden wir uns versammeln. Wir werden unser gemeinsames Schicksal mit den Rudeln besprechen, und wir werden entscheiden, ob wir gehen oder bleiben.«
Die Menge wurde still.
»Es wird der Augenblick kommen, wo wir die Entscheidung treffen müssen«, sagte er. »Aber dieser Augenblick ist nicht heute.« Er beugte sich nach unten, und als er sich wieder erhob, hielt er ein pausbäckiges Kleinkind im Arm. Er küsste das Kind auf die Stirn.
»Unsere Zukunft liegt im Dunkeln. Aber wir werden das durchstehen, wie immer es auch ausgehen wird. Das Rudel ist unsterblich und unvergänglich.« Er bückte sich nach unten, um das Kleinkind in die ausgestreckten Arme seiner Mutter zurückzugeben, und richtete sich dann wieder auf. Er betrachtete die Menge und stemmte die Fäuste in die Seiten.
»Heute begrüßen wir Fremde unter uns. Wir nennen sie Vampire, aber wir kennen sie als Freunde. Sie haben sich für eine von uns eingesetzt, und daher begrüßen wir sie heute Abend als Freunde in unseren Reihen.«
Gabriel deutete auf uns, und die Rudelmitglieder drehten sich zu Ethan und mir um. Einige lächelten.
Andere misstrauten uns ganz offensichtlich und bedachten uns mit verächtlichen Blicken. Doch selbst diese Männer und Frauen nickten und akzeptierten die Vampire in ihren Reihen, wenn auch widerwillig, denn diese Vampire hatten eine von ihnen gerettet.
Ich danke dem Herrn, dass es Berna gibt, teilte ich Ethan lautlos
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