Chicagoland Vampires: Drei Bisse frei (German Edition)
Das Büro war klein – gerade groß genug für einen Metalltisch und einen ziemlich abgetakelten Aktenschrank. Jede freie Fläche war mit Papier bedeckt: Magazine, Notizen, Schecks, Steuererklärungen, Blätter aus gelben Notizblöcken, gefaltete Zeitungen, Sportkanalprogrammhefte, Rechnungen, Lieferservice-Speisekarten.
Die Wände waren ebenfalls mit Papier beklebt, allerdings war der Inhalt weniger kindertauglich. Pin-up-Girls auf Postern und Kalenderblättern der letzten siebzig Jahre bedeckten das Mauerwerk wie eine Tapete: gut gebaute Blondinen und Brünette in knapper Bekleidung und acht Zentimeter hohen Stöckelschuhen sahen kokett auf uns herab. Es wirkte wie das Büro einer Tankstelle oder Autowerkstatt. Nicht unbedingt ein Ort, wo sich Frauen wohlfühlten, aber natürlich gehörte ich auch nicht zur Zielgruppe.
»Nette Bude«, sagte ich höflich.
»Wir mögen’s«, sagte er. »Machst du bitte die Tür zu?«
Ich schloss sie, was den Lärmpegel so weit senkte, dass wir uns unterhalten konnten, ohne uns anschreien zu müssen.
Colin quetschte sich um den Tisch herum und öffnete die oberste Schublade des Aktenschranks. Er holte einen kleinen Metallflachmann heraus, schraubte den Deckel ab und nahm einen Schluck.
»Alkohol?«, fragte ich.
»Blutgruppe 0. Meine persönliche Spezialmischung.« Er reichte sie mir, aber ich lehnte ab. Ich brauchte einen klaren Kopf, und ich hatte meine Zweifel, ob Colins »Spezialmischung« meinen Kopf nicht ganz schön durcheinanderbringen konnte.
»Nein, danke!«
Er zog einen uralten Schreibtischstuhl heran, den Metallflachmann noch in der Hand. Das Rückenkissen bestand mehr aus Klebeband als aus Stoff, aber er setzte sich trotzdem. »Nun, Mylady Hüterin, was kann ich für euch tun?«
»Ist dir in letzter Zeit irgendwas Ungewöhnliches aufgefallen?«
Er schnaubte sarkastisch. »Es war einmal vor langer, langer Zeit eine Bar für Vampire. Für Blutsauger und ihresgleichen. Seitdem wir geoutet wurden, bediene ich Menschen, die Vampire für nachdenkliche, romantische Helden halten und glauben, dass Vampirinnen eine geheime Formel für schnellen Gewichtsverlust besitzen. Außerdem bediene ich gelegentlich Menschen, die Vampire für den letzten Dreck und die Boten der nahenden Apokalypse halten. Ob mir dabei etwas Ungewöhnliches aufgefallen ist? Doch, Hüterin. Das kann man wohl sagen.«
Zum Ende seiner Tirade hin hatte er immer schneller gesprochen, und je schneller er sprach, umso deutlicher war sein Akzent herauszuhören. Ich hatte Irland nie gesehen, aber aus seiner Stimme ließen sich die endlosen grünen Hügel seiner Insel heraushören.
Er hatte natürlich nicht ganz unrecht, aber ich wollte auf etwas Bestimmtes hinaus, also sprach ich ihn direkt darauf an. »Wir glauben, dass Vampire diese Bar dazu benutzen, Menschen zu einer neuen Art von Raves einzuladen. Kommt dir das irgendwie bekannt vor?«
Er nahm einen weiteren Schluck aus dem Flachmann. »Wie ich schon sagte, eine Menge Menschen möchten ihre Zeit mit den Vampiren verbringen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich unterscheiden könnte zwischen einem Vampir, der sich an einen Menschen heranmacht, und einem Vampir, der einen Menschen zu einer Party einlädt, bei der es um Blutverlust geht.«
»Na gut!« Ich knabberte einen Augenblick auf meiner Lippe, enttäuscht, dass er mir keinen entscheidenden Hinweis geben konnte. »Okay, wie steht es mit Drogen? Eine, die V genannt wird? Sie wird vielleicht dazu benutzt, Menschen empfänglicher für Verzauberung zu stimmen.«
Er hob neugierig seine Augenbrauen. »Was du nicht sagst! Sind wir mittlerweile so unfähig, dass wir uns bei Verzauberungen auf Medikamente verlassen müssen, um das gewünschte Resultat zu erzielen?«
»Wir sind noch nicht sicher, wie sie funktioniert – nur, dass sie auf einer Party gefunden wurde.«
Er zuckte mit den Achseln. »Das hier ist eine Bar; es ist zu erwarten, dass Drogen in Umlauf sind. Ich habe nichts davon mitbekommen, dass es irgendwelche neue Drogen gibt, aber das bedeutet nicht, dass es unmöglich ist.«
Dritter Schlagfehler für die Hüterin, aber ich gab nicht auf. »Was ist mit den üblichen Verdächtigen? Jemand, der in letzter Zeit häufiger hier ist als sonst? Jemand, der überhaupt nicht hierher passt oder andauernd da ist?«
Colin lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Den Flachmann hatte er wie eine kleine Puppe unter seine Arme gesteckt. »Ich möchte dir keinesfalls in
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