Chicagoland Vampires: Ein Biss zu viel (German Edition)
der Beachtung nicht wert. Die Wände waren angemalte Betonblöcke, die mit einer wilden Mischung aus B-Movie-Plakaten aus den Siebzigern überklebt waren. Dazwischen fanden sich mehrere handschriftliche Hinweise, dass die Kunden doch bitte nicht auf den Parkplätzen der Reinigung parken und auf jeden Fall mit Bargeld zahlen möchten. Im Thai Mansion glaubte man nicht an die Kraft der Kreditkarte.
»Das ist der beste Thai Chicagos?«, fragte ich ihn.
»Vertrau mir«, sagte Jonah und nickte einer zierlichen, dunkelhaarigen Kellnerin zu, die ihn freundlich anlächelte und sein Nicken erwiderte, als er auf einen leeren Tisch deutete.
Wir nahmen Platz, und ich überflog die eingeschweißte, handgeschriebene Speisekarte. Einige der Gerichte waren lieblos übersetzt worden, die meisten jedoch waren auf Thailändisch geschrieben, was in einem thailändischen Restaurant vermutlich eine gute Sache war. »Kommst du hier oft vorbei?«
»Mehr, als es mir lieb sein sollte«, sagte er. »Ich möchte über die Cafeteria von Haus Grey ja nicht meckern, aber Scott hat einen Hang zu Fertiggerichten. Wir hatten schon Mahlzeiten, die komplett beige waren.«
Ich stellte mir einen Teller mit Brot, Püree, Tater Tots, ordentlicher Füllung und Rührkuchen vor.
»Ist ja auch nicht verkehrt.«
»Ab und zu ist das in Ordnung, aber für einen Vampir, der das Leben zu genießen weiß, braucht es doch ein bisschen mehr Abwechslung.«
»Und du bist ein Vampir, der das Leben zu genießen weiß?«
Er zuckte bescheiden mit den Achseln. »Die Welt hat eine Menge zu bieten. Es gibt großartige Sachen, die man ausprobieren kann, und das möchte ich genießen.«
»Die Unsterblichkeit hat sich also als nützlich erwiesen, hm?«
»So könnte man es ausdrücken.«
Eine Kellnerin mit langen dunklen Haaren kam in weißen Sneakers über den grünen Restaurantteppich auf uns zugeschlurft.»Sie wollen bestellen?«
Jonah sah mich kurz an, und als ich nickte, bestellte er. »Phat Thai mit Garnelen.«
»Wie scharf heute?«
»Neun«, sagte er und gab ihr seine Speisekarte. Nachdem sie seine Bestellung aufgenommen hatte, sah sie mich an.
Ich nahm an, dass die Neun auf einer Zehnerskala anzusiedeln war. Ich mochte scharfes Essen, aber ich würde in einem Restaurant, das ich zuvor noch nie betreten hatte, ganz bestimmt keine Neun bestellen. Wer wusste schon, wie scharf das war?
»Für mich dasselbe. Wie wäre es mit einer Sieben?«, fragte ich sie, aber die Kellnerin sah mich nur ausdruckslos an.
»Sie waren schon mal bei uns?«
Ich sah zuerst sie, dann Jonah an. »Äh, nein?«
Sie schüttelte den Kopf und nahm mir dann die Speisekarte aus der Hand. »Keine Sieben. Sie bekommen eine Zwei.«
Mit dieser Feststellung drehte sie sich um und verschwand durch einen Vorhang ins Hinterzimmer.
»Eine Zwei? Ich versuche es nicht als Beleidigung aufzufassen, aber das gelingt mir nicht.«
Er lachte leise. »Das liegt nur daran, weil du noch nie eine Zwei gehabt hast.«
Ich hatte meine Zweifel, aber mir fehlten leider die Gegenbeweise. Und wo wir gerade von fehlenden Beweisen sprachen …
»Na gut, du hattest deinen Spaß, jetzt bin ich dran. Woher kennst du meinen Großvater? Ich weiß, dass du mit Charlotte befreundet warst, weil du mir das mal erzählt hast. Ist das die Verbindung?« Charlotte ist meine ältere Schwester. Ich habe außerdem noch einen älteren Bruder, Robert, der in die Fußstapfen meines Immobilienmoguls von einem Vater getreten ist.
»Ich war und bin mit Charlotte befreundet«, sagte Jonah. »Dich kannte ich auch.«
Ich hatte einfach kein Glück. »Woher kanntest du mich?«
»Ich bin mit Charlotte zum Abschlussball gegangen.«
Ich erstarrte. »Du hast, bitte schön, was getan?«
»Ich habe Charlotte zu ihrem Abschlussball im letzten Studienjahr begleitet.«
Ich schloss die Augen und versuchte mich zu erinnern. Ich war während der Frühjahrsferien nach Hause gekommen und Augenzeuge von Charlottes Nervenzusammenbruch gewesen, den sie nach einem Streit mit ihrem damaligen Freund und jetzigen Ehemann, Major Corkburger (ja, er heißt wirklich so) gehabt hatte.
Sie war dann mit einem Kerl namens Joe zum Abschlussball gegangen.
Endlich ging mir ein Licht auf.
»Oh mein Gott!«, rief ich und zeigte auf ihn. »Du warst ›Joe‹! Ich habe dich nicht wiedererkannt.«
Joe war Teil einer sehr kurzlebigen, aufständischen Phase gewesen. Ich hatte Joe nach dem Abschlussball nur ein paarmal zu sehen bekommen. Einen Monat später waren
Weitere Kostenlose Bücher