Chicagoland Vampires: Ein Biss zu viel (German Edition)
befragen können.«
»Wir müssen als Erstes die Nymphen landeinwärts bringen«, sagte Jeff über die Schulter der ihn umarmenden Nymphe. »Vom Wasser weg und weg von dem, was da draußen passiert. Vielleicht können sie dann einen Teil ihrer Kräfte bewahren.«
Und wieder flossen Tränen in Strömen.
»Ich weiß, Liebling«, sagte er und tätschelte verständnisvoll ihren Rücken. »Aber wir müssen dem See doch die Möglichkeit geben, sich zu heilen, nicht wahr?«
Sie nickte gehorsam und schniefte herzerweichend, entließ Jeff aber nicht aus ihrem schraubstockartigen Griff.
»Ich kümmere mich um den Umzug«, sagte Catcher. »Vielleicht können einige von ihnen heute Nacht bei den Feen unterkommen.«
»Die Breckenridges haben in Naperville ein riesiges Haus, aber ich halte es für keine gute Idee, Formwandler und Nymphen zusammenzubringen.« Wie aufs Stichwort sah ich die Hand der Nymphe hinabgleiten und Jeff ordentlich in den Hintern kneifen. Jeff jaulte auf und schob sie höflich von sich, aber sie lächelte ihn ohne die geringste Spur von Reue an. Ich war mir nicht sicher, ob sie wusste, dass Jeff eine Freundin hatte – oder ob es ihr schlicht egal war.
»Damit haben wir bei den Breckenridges ein ›Nein‹«, knurrte Catcher.
»Was machen wir mit den Menschen?«, fragte Jonah, der zusah, wie immer mehr Menschen in Richtung See strömten. »Sie werden komplett ausrasten.«
Ich konnte es ihnen nicht verübeln. Selbst für übernatürliche Verhältnisse war die momentane Situation äußerst besorgniserregend, und sie traf uns an einer sehr empfindlichen Stelle. Chicago schmiegte sich an den See, und der Fluss schlängelte sich mitten durch das Herz der Stadt. Sie waren miteinander verbunden, und die Menschen würden dies als eine übernatürliche Misshandlung dieser Verbindung verstehen. Meine Vorfreude auf die zu erwartende Protestwelle hielt sich daher in Grenzen.
»Ich werde einige Gesprächspunkte für Bürgermeisterin Kowalczyk zusammenstellen«, sagte mein Großvater, »aber ich habe keine Ahnung, wie wir ihr das erklären sollen.«
»Konzentrier dich auf die Aussage, dass die Apokalypse noch nicht begonnen hat«, schlug ich vor, aber ich schauderte dennoch vor Angst. »Und versuch sie davon abzuhalten, die Schuld von vornherein den Vampiren zuzuschieben! Wir haben schon genug zu tun.«
Er tätschelte meinen Rücken. »Wir kümmern uns um das Problem und stellen Nachforschungen an. Macht mal, dass ihr nach Hause kommt! Ich weiß, dass ihr nicht genügend Leute im Haus habt. Ich ruf dich an, wenn ich den Flug organisiert habe.«
Ich nickte, auch wenn es mir nicht gefiel, einfach zu verschwinden. Herumzusitzen und darauf zu warten, dass etwas passierte, gehörte nicht gerade zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Ich machte mir eine geistige Notiz, mich in die erstklassige Bibliothek unseres Hauses zu begeben, um nicht untätig zu sein; wenn es einen Ort gab, an dem ich etwas über unsere zurückgezogen lebende Sirene in Erfahrung bringen konnte, dann war es die Bibliothek.
Ich verabschiedete mich von Jeff (der sich noch nicht aus den Fängen der Nymphe hatte befreien können), nahm aber Catcher zur Seite, um mich auf den neuesten Stand bringen zu lassen. »Wie läuft’s mit dem Lernen?«
Catcher verdrehte die Augen. »Ich habe erfahren, dass ihre momentane Belastung nur von der historisch bedeutsamen ›Meisner-Moxner-Präsentation‹ übertroffen wird, was immer das ist.«
Ich verzog das Gesicht. Meisner-Moxner war ein Unternehmen, das Haushaltsgegenstände herstellte, und Mallory hatte als leitende Angestellte einer Werbeagentur zwei Wochen damit verbracht, eine erstklassige Markenkampagne auszuarbeiten, nur um drei Tage vor der Präsentation vom Inhaber dieser Firma zu erfahren, dass er »einfach kein gutes Gefühl« dabei habe.
Die nächsten zweiundsiebzig Stunden bestanden aus Schlafentzug, literweise Kaffee und einer nebelhaften Erinnerung an pausenlose Arbeit. Mallory hatte sich an ihren Schreibtisch gekettet und nur mit Hilfe von Cola, Energydrinks und einer kreativen Euphorie, die sie später als »sagenhaft« bezeichnete, überlebt. Dank ihrer Präsentation konnte die Agentur den Auftrag an Land ziehen, und sie schlief anschließend zwei Tage am Stück.
Die Meisner-Moxner-Kampagne ging als eine der erfolgreichsten Werbeaktionen für Haushaltsprodukte in die Geschichte ein. Bedauerlicherweise gab Moxner Junior das frisch verdiente Geld für leichte Mädchen und Kokain aus, und
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