Chicagoland Vampires: Ein Biss zu viel (German Edition)
Gruppe, mit der ich mich auseinandersetzen konnte. »Ich weiß, dass diese Frage schmerzlich ist, aber ich brauche trotzdem eine Antwort. Wie steht es mit dem Orden?« In Erwartung einer patzigen Antwort von Catcher knabberte ich an meiner Unterlippe. Aber Catcher schlug einen ganz anderen Ton an.
»Ich habe mir das Gehirn zermartert«, sagte er, und die Erschöpfung in seiner rau klingenden Stimme war nicht zu überhören. »Aber ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie sie daran beteiligt sein sollten. Mir fällt einfach kein Vorteil ein, den sie sich mit einem solchen Vorgehen verschaffen könnten. Sie sind vielleicht naiv, aber sie sind nicht böse.«
»Was ist mit Simon?«
»Ich weiß nicht, wie Simon seine Zeit verbringt, Merit, außer, dass er Mallorys Zeit und ihre mentalen Kräfte komplett für sich beansprucht. Er scheint im Augenblick nichts anderes im Kopf zu haben als sie. Außerdem ist er schon jetzt der ungekrönte König dieser Stadt. Warum sollte er sich und uns Stress machen?«
»Das habe ich mich auch schon gefragt.«
»Sorg dafür, dass deine Leute ruhig bleiben und sich nicht mit Simon anlegen! Er mag ja freundlich wirken, aber er ist und bleibt ein voll ausgebildeter Meister des Ordens. Wenn sich die Vampire einmischen, wird er nur sauer werden. Ich kümmere mich darum.«
»Ich werde sie hinhalten«, sagte ich, »aber Frank ist ziemlich nervös, und du weißt, welchen Druck er auf Malik ausübt. Die Menschen flippen aus, und die Nationalgarde ist auf dem Weg zu Haus Cadogan. Wer immer auch dahintersteckt, wir brauchen Beweise, und wir brauchen sie schnell.«
»Ich mache mich sofort dran. Wo bist du überhaupt?«
Ich entschloss mich dazu, ihm nicht mitzuteilen, dass ich in einer Bushaltestelle auf der State Street saß, weil mir die Ideen ausgegangen waren. »Ich spiele Hüterin«, sagte ich. »Ruf mich an, sobald sich was ergibt!«
Catcher gab ein zustimmendes Grunzgeräusch von sich, dann legte er auf. Ich steckte mein Handy ein und sah zum dunklen Nachthimmel hinauf. Eine große Menschenmenge in weißer Kleidung kam auf mich zu und ging lautstark an mir vorbei. Sie trugen weiße Schilder, auf denen die nahende Apokalypse angekündigt und die passenden Bibelstellen zur Lektüre empfohlen wurden. Ihre warnenden Worte hatten sie mit blutroter Farbe geschrieben, schnell und hektisch, mit verschmierten Buchstaben, um noch etwas bewirken zu können, bevor es zu spät war.
»Bevor die Vampire die Welt zerstören«, murmelte ich leise.
Vielleicht hatten die Menschen recht mit dem Ende der Welt; mir standen keine Informationen zur Verfügung, die dem widersprachen. Aber ich war mir recht sicher, dass sie mehr als nur Worte für mich hätten, wenn sie mich hier allein erwischten. Also kauerte ich mich in meine Bushaltestelle und sah zu, wie sie an mir vorbeigingen, dem Chor einer griechischen Trägodie gleich, der vor dem drohenden Unheil warnte.
Wenige Minuten später verschwanden sie aus meinem Blick, und es war wieder ruhig. Ich stand auf und vertrat mir kurz die Beine, doch als ich gerade die Bushaltestelle verlassen wollte, jagte ein gleißend helles Licht über den Himmel, der seine Schleusen weit öffnete.
»Natürlich muss es auch noch regnen«, fluchte ich.
Ich blieb noch ein wenig in der Bushaltestelle stehen. Regentropfen fielen auf meine Stiefel, und ich hoffte, dass der Platzregen eine kurze Pause einlegte – und wünschte, dass Ethan bei mir wäre. Er hätte gewusst, was zu tun wäre, und bereits einen Angriffsplan entwickelt.
Ich wusste, dass nun mir diese Pflicht auferlegt war; ich hoffte bloß, dass ich die Kraft besäße, sie zur Zufriedenheit zu erfüllen – und die Intelligenz, das Rätsel zu lösen.
Genauso schnell, wie der Regen angefangen hatte, hörte er auch wieder auf. Als ich auf die Straße trat, roch ich den Duft des Wassers und der Stadt und von Schwefel, aber da war noch etwas: der Geruch von Zitrone und Zucker. Derselbe Geruch, der mir auch bei Tate aufgefallen war.
Claudia hielt die Magie für alt, und jetzt roch der Regen nach Tate? Das konnte kein Zufall sein.
Die Morgendämmerung nahte, und ich wusste genau, was ich morgen Abend machen würde. Hoffentlich hatte der Name meines Großvaters noch genügend Gewicht, um mir ein weiteres Treffen mit Tate zu ermöglichen.
Da ich immer noch Respekt vor den Blitzen hatte, rannte ich zu meinem Wagen zurück. Meine Haut kribbelte wegen des Ozons in der Luft. Ich hatte gerade den Schlüssel ins Schloss
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