Chicagoland Vampires
Talent. Zum Glück hatte ich mich auf gute Noten verlassen können.
»Ich kann mich gegenüber Mitsingtexten ja wohl kaum verweigern«, sagte ich und biss in die Pizza. Sie schmeckte unverschämt gut.
Als Doktorandin entwickelte ich die ziemlich schlechte Angewohnheit, meine Arbeit so ernst zu nehmen, dass ich alles und jeden darüber vergaß. Ich hörte auf, mich mit Freunden zu treffen. Ich tat praktisch nichts mehr, was nicht mit dieser Arbeit zu tun hatte. Ich wurde zum Einsiedler – nicht, weil ich nicht gerne andere Leute um mich hatte, sondern weil ich die Balance zwischen Arbeit und Freizeit einfach nicht hinbekam. Die Arbeit allein war viel leichter zu organisieren.
Es waren solche Augenblicke, die mir bewiesen, dass beides möglich war. Ich konnte ausgelastet sein und damit viel erreichen und trotzdem ein Sozialleben haben. Ich konnte mit anderen Leuten Zeit verbringen. Ich konnte die große, weite Welt sehen, anstatt mich vor ihr zu verbergen. Bei solchen Gelegenheiten fühlte ich mich wie ein normaler Mensch, nicht nur wie ein Konfliktmanager für ein Haus voller Vampire.
Freundschaften sind keine Last, dachte ich mir, während ich mein Stück Pizza verputzte. Sie sind ein Geschenk. Nur durch sie wurde uns immer wieder klar, warum wir uns überhaupt in den täglichen Kampf stürzten. Warum wir uns mit aller Kraft bemühten, das Haus zu beschützen – und was wir damit beschützten.
Also lehnte ich mich mit Lindsey und den anderen zurück und krähte und krächzte furchtbar schlechte Texte, die mir vor Augen führten, wofür ich jeden Tag kämpfte.
Als der Film zu Ende war, half ich der Mannschaft beim Aufräumen und freute mich darüber, das letzte Stück Pizza mit in mein Zimmer nehmen zu dürfen.
Aber als ich gerade gehen wollte, hielt mich Lindsey auf.
»Oh nein«, sagte sie. »Wir haben dir was zu sagen.« Sie sah sich im Zimmer um. »Alle Jungs auf der Stelle raus.«
Es waren zwar nur noch ein paar männliche Vampire da, aber sie trabten unter lautem Gejohle und lauten Pfiffen aus dem Zimmer, unter lautstarken Anspielungen darauf, was gleich zwischen mir, Margot und Lindsey passieren würde.
Lindsey schloss die Tür hinter ihnen und sah mich dann an.
»Raus damit.«
»Ich weiß nicht, wovon ihr sprecht«, sagte ich, aber Margot und Lindsey tauschten einen kurzen Blick aus, der besagte, dass sie es besser wussten.
»Du und Ethan, ihr solltet es regelmäßig und mit wachsender Begeisterung tun«, sagte Lindsey. »Stattdessen redet ihr kaum miteinander, und Luc und ich müssen Nachrichten zwischen euch austauschen. Wenn die sexuelle Spannung im Haus weiter zunimmt, können wir Autobatterien damit aufladen. Was zur Hölle ist los?«
Ich schloss die Augen. Ein großer Teil dieses Themas war furchtbar demütigend, und ich hatte wirklich keine Lust, mich auch noch mit dem Rest zu beschäftigen.
Allerdings brauchte ich dringend Hilfe. Im Gegensatz zu gewissen überheblichen Meistervampiren wusste ich auch, wann ich darum bitten musste.
Ich setzte mich wieder auf den Fußboden. »Er treibt mich in den Wahnsinn.«
Lindsey und Margot setzten sich neben mich. »Was ist passiert?«
»Es hat in Nebraska angefangen. Er hat festgestellt, dass er und Mallory wegen ihres Zauberspruchs irgendeine Verbindung miteinander haben. Er ist nicht ihr Schutzgeist, nicht einmal annähernd, aber wenn sie emotional durchdreht, dann reagiert er genauso.«
»Das ist ziemlich unheimlich«, sagte Margot.
»Ist es«, stimmte ich ihr zu. »Aber er hat es unter Kontrolle – in Nebraska war das jedenfalls so. Na ja, auf jeden Fall hat er während eines ihrer Zaubersprüche meinen Arm gepackt, und jetzt ist er davon überzeugt, dass er mir wehtun wird, solange Mallory in seinem Kopf steckt. Das heißt, unsere Beziehung liegt jetzt auf Eis.«
Lindsey sah mich ausdruckslos an. »Er ist ein Idiot.«
»Oh, das weiß ich schon.«
»Nach all dem Mist, den ihr zusammen durchgestanden habt – all die Kämpfe, dass ihr uns alle in den Wahnsinn getrieben habt –, regt er sich über so etwas auf? Dass er dich zu fest am Arm gepackt hat?«
»Genau das.«
Lindsey ließ sich theatralisch auf den Teppich fallen. »Ich wusste ja, dass er stur ist, aber das schießt wirklich den Vogel ab.« Sie stützte sich auf ihre Ellbogen. »Er weiß, dass du unsterblich bist, oder? Und dass du dir schon früher Rippen gebrochen hast? Und angeschossen worden bist?«
»Das mag er vielleicht wissen«, sagte Margot, »aber betrachte
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