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Chiffren im Schnee

Chiffren im Schnee

Titel: Chiffren im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Berlinger
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Anna eingehend. «Mein Cousin vertraut Menschen nicht so schnell», meinte sie. «Er wird seine Gründe haben, warum er Sie eingeweiht hat. Wahrscheinlich werde ich eine Menge Ärger bekommen, aber den nehme ich gerne auf mich, wenn diese Angelegenheit dafür rasch aus der Welt geschafft werden kann. Und zwar möglichst so, dass Lieutenant Wyndham nicht schon wieder ein paar Monate in einem Hospital verbringt.» Sie hatte wohl nicht ganz so viel sagen wollen. Nun griff sie nach einer der Haarbürsten und drehte sie in ihren Händen. Anscheinend war Lady Georgiana nicht wütend. Anna entspannte sich etwas, auch wenn sie inzwischen eine Ahnung hatte, dass man bei der Lady immer mit Überraschungen rechnen musste. Ein Charakterzug, den sie wohl mit ihrem Cousin teilte.
    Lady Georgiana legte die Haarbürste auf den Frisiertisch zurück. «Wie auch immer, Lieutenant Wyndham und ich haben uns bereits so einige Gedanken gemacht, wie es weitergehen soll.» Sie öffnete die Tür zum angrenzenden Zimmer. Anna konnte weitere Koffer und einen ganzen Stapel Hutschachteln erspähen.
    Eine ältere Frau trat ein, ihre tadellose Kleidung und die Art und Weise, wie sie durch Anna hindurchblickte, zeugten von vielen Jahren Erfahrung. Sie wusste genau, was von ihr erwartet wurde, ohne dass ihre Herrschaft wortreiche Anweisungen erteilen musste.
    Lady Georgiana liess sich vor dem Frisiertisch nieder. «Paget, das ist Miss Staufer, von der ich Ihnen erzählt habe. Miss Staufer, das ist Paget, meine Zofe.»
    Die Zofe bedachte Anna mit einem knappen Nicken, und Anna tat es ihr gleich.
    Lady Georgiana warf ihren Zopf über die Schulter. «Ich werde heute beim Frühstück furchtbar darüber klagen, dass meine Zofe das Klima hier nicht verträgt und ihr die Gicht in ihren Händen wieder übel mitspielt.»
    Paget hatte den Zopf bereits flink gelöst und war nun dabei, Strähne für Strähne zu kämmen, ohne dass Lady Georgiana auch nur einmal zuckte.
    «Ich brauche also jemanden, der mir morgens und abends die Haare richtet und Paget zur Hand geht. Den Zimmermädchen traue ich das nicht zu. Es muss schon die Gouvernante sein.» Sie zwinkerte Anna kurz zu. «Machen Sie sich keine Sorgen. Sie müssen nur so tun als ob – Paget würde es nie zulassen, dass jemand anderer mein Lockenhaupt berührt. Aber damit haben wir Gelegenheit, ungestört miteinander zu sprechen.»
    Nun steckte Paget die Haare ihrer Herrin zu einem kunstvollen Gebilde auf. Lady Georgiana reichte ihr geistesabwesend die Haarnadeln. «Ich werde auch dafür sorgen, dass Sie mit meinem Cousin sprechen können, ohne dass der Direktor Ihnen gleich wieder Ärger macht.»
    Anna wusste nicht, ob von ihr erwartet wurde, diesen Plan zu kommentieren. Sie hatte natürlich schon an seltsamen Scharaden im Hotel teilgenommen. Aber das war alles immer im Hintergrund geschehen, um die Gäste nicht mit lästigen Wahrheiten zu behelligen – selbst wenn sie diese Wahrheiten, wie im Falle von Frau Eberhardt, natürlich nur allzu gut kannten. Dass ihr ein Gast aber derart unverblümt Anweisungen erteilte und sich am Ränkeschmieden beteiligte, hatte Anna noch nicht erlebt. Sie beschloss, sich an Paget ein Beispiel zu nehmen, und nickte Lady Georgiana nur stumm im Spiegel zu. Diese bedeutete Paget, mit dem Frisieren innezuhalten, dann drehte sie vorsichtig den Kopf zu Anna. «Und irgendwann, Miss Staufer, werde ich auch noch Ihre Stimme zu hören bekommen. Bisher weiss ich nur von Lieutenant Wyndham, dass Sie reden können – und denken, was ihn erheblich mehr beeindruckt hat.»
    Pagets Mundwinkel zuckten bei diesen Worten verräterisch. Lady Georgiana drehte den Kopf hin und her, um Pagets Werk zu begutachten. «Ich denke, das ist im Moment alles, Miss Staufer.»
    Anna brachte gerade noch ein weiteres «Sehr wohl, Mylady» heraus, bevor sie sich auf dem Gang wiederfand. Sie ging nach unten, leicht beunruhigt beim Gedanken, was Lady Georgiana wohl vorhaben mochte.
    Das Frühstück der Gäste war noch im Gange, als Anna sich daran machte, die Salons zu kontrollieren. Sie war eben im Lesesalon, wo sie einen nicht geleerten Papierkorb bemerkte, als auf einmal die Stimme Lady Georgianas zu vernehmen war. Anna spähte aus der Tür des Salons und sah die Lady an der Réception stehen.
    «Einfach unerhört – mein Cousin ist der Neffe eines Marquess! Ihr Haus sollte die Ehre, ihn als Gast zu haben, wirklich höher schätzen.»
    Lady Georgiana sprach sehr gut Deutsch, zum Leidwesen von Herrn Ganz, der

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