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Chili und Schokolade

Chili und Schokolade

Titel: Chili und Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilli Beck
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trage ich Dessous im gleichen Farbton – obwohl ich mich garantiert nicht ausziehen werde! Aber was ich Ulla anfangs nicht so recht glauben wollte, stimmt tatsächlich: In feiner Wäsche fühlt man sich sexy. Nicht zuletzt deshalb heißt sie Reizwäsche. Hohe schwarze Stiefel (Eve Lacombe, das verschwendungssüchtige Callgirl, war gestern schnell nochmal bei Jerome) vervollständigen den Stil mit einer weiteren Prise Sexappeal. Eine große schwarze Handtasche für meine Unterlagen ist dagegen die Messerspitze Seriosität.
    Meinem Make-up widme ich mich mit besonderer Sorgfalt. Ein Hauch hellen Puder nimmt den Glanz und roséfarbenes Rouge betont die Wangenknochen, so hat es mir Trixi erklärt. Zur Verlängerung meiner Wimpern benutze ich reichlich Tusche, mit schimmerndem Lipgloss lasse ich meinen Mund sinnlich glänzen. Meine Fingernägel lackiere ich inzwischen regelmäßig, und Parfüm vergesse ich längst nicht mehr.
    Bertrams Büro befindet sind in den hinteren Räumen eines ehemaligen Ladengeschäfts im Stadtteil Maxvorstadt. Die schlichten weißen Vorhänge an den beiden Fenstern verleihen dem hohen Raum etwas Wohnliches. Genau wie die gerahmten Fotos mit diversen Buchcovern an den Wänden und die drei knallroten Stühle um einen runden Tisch aus hellem Holz. Das Material harmoniert mit Bertrams Schreibtisch und den übervollen Bücherregalen neben den Fenstern. Die sympathische Unordnung lässt auf Kreativität schließen.
    «Eve, wie schön, dich zu sehen.» Bertram eilt um den Schreibtisch herum und streckt mir lächelnd die Hand entgegen. «Ulla wird sich etwas verspäten. Sie meinte, Dschingis Khans Nachkommen plündern noch die Juweliergeschäfte in der Maximilianstraße.»
    Ein Schauer läuft mir über den Rücken, als er meine Hand drückt und mich mit seinen grünen Augen erfreut anstrahlt. Dann lässt sie mich ja schon wieder allein mit Bertram, denke ich leicht panisch. Mon dieu!, wie soll ich das nur überstehen? Meine Knie werden weich. Obendrein sieht Bertram heute noch besser aus als bei unserem ersten Treffen im Palmengarten-Café. Die Jeansjacke, das weiße T-Shirt zu der dunkelgrauen Hose und die Bartstoppeln verleihen ihm einen intellektuellen Touch.
    Hoffentlich kommt Ulla bald, stöhne ich lautlos, als er mir aus dem Mantel hilft.
    «Setz dich doch, bitte, Eve. Möchtest du etwas trinken, Kaffee, Tee, Wasser, Cola oder Ähnliches?»
    «Danke, ein Wasser gern.»
    Bertram entschuldigt sich und verlässt den Raum. Nervös sehe ich mich um. Mein Blick fällt auf einen Stein, der einen Stapel bedrucktes Papier beschwert. Bei genauerer Betrachtung erkenne ich, was es ist: eine versteinerte Schnecke. Ob Bertram auch Schnecken-Sammler ist? Gibt es vielleicht doch so etwas wie Seelenverwandtschaft? Plötzlich habe ich nicht mehr das Gefühl, im Büro eines Fremden zu sitzen.
    «Was für ein ungewöhnlicher Briefbeschwerer», bemerke ich, als Bertram mit einer Flasche Pellegrino und zwei Gläsern zurückkommt.
    «Danke», sagt er schlicht. «Ich mag diese klugen Tiere. Haben immer ihr Zuhause dabei.»
    Dass ich genau aus demselben Grund Schnecken sammle, kann ich jetzt unmöglich gestehen. Eve würde doch eher Schmuck sammeln, vielleicht Diamant-Ohrringe oder Armbänder. Morgengaben von reichen Verehrern.
    «Bis meine Nichte auftaucht, kann ich dir ja schon mal die ersten Layout-Entwürfe zeigen», schlägt er beim Gläserauffüllen vor.
    In dem Moment stürmt Ulla herein, umarmt ihren Onkel und küsst mich flüchtig auf beide Wangen.
    «Sorry, Sorry, Sorry», entschuldigt sie sich und sprudelt sofort weiter. «Also diese Russen, unglaublich, wie die mit der Kohle um sich werfen, da wird man ja depressiv … Na, egal. Wie läuft’s denn bei euch?» Erschöpft lässt sie sich auf einen Stuhl am runden Tisch fallen und verlangt stöhnend nach aufmunterndem Koffein.
    «Oberprima», scherze ich und freue mich, dass sie endlich hier ist.
    Bertram geht, um ihr einen Kaffee zu holen. Erstaunlicherweise sieht Ulla überhaupt nicht mitgenommen aus. Sie ist weder verschwitzt, noch ist ihr Make-up verschmiert. Die zurückgesteckte Frisur sitzt tadellos, der knallrote Hosenanzug ebenso. Sie sieht toll aus. Das muss wohl an ihrer Jugend liegen, denke ich, oder an der Liebe zu Henry.
    «Ich sage dir, Eve, ich bin ja so was von reif für die Ehe», schnauft sie, streift ihre Highheels von den Füßen und reibt sich die Zehen. «Diesen Stress halte ich nicht mehr lange durch, da altert man im Zeitraffertempo.

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