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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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strange. Irgendwie langweilig, weissu – da hat man nie was verstanden.« – »Ja, eh, vallah , die konnte nix richtig erklären und manche Vokabeln wusste sie einfach nicht.«
    Die Aufregung um meine Person wird sich nach einigen Monaten legen, und ich werde meine letzten Jahre in der Psychiatrie verbringen, sabbernd, aber glücklich, weil irgendwie auch entspannt.
    Doch so schnell gebe ich nicht auf. In die Psychiatrie kann ich später immer noch. Vorher möchte ich doch noch Genera tionen von Schülern etwas beibringen. Die Jugendlichen inspirieren, begeistern – sie sollen jubeln!
    Gut haben es da die Lehrer, die richtig was können. Unterrichten ist ja nun keine Fähigkeit, mit der man bei den Schülern besonders viel Eindruck hinterlässt. Selten höre ich: »Boah, Frau Freitag, kennst du die? Die unterrichtet echt geil!« – »Ja, Vallah , ich schwör, das macht die echt hammer!«
    Ja, ich gebe es offen zu, ich würde die Schüler gerne mal so richtig beeindrucken. Sie sollen sprachlos, mit offenem Mund dasitzen: »Hast du das gesehen?« Ich will Applaus und Zugabe rufe: »Mach noch mal, Frau Freitag, noch mal, noch mal, noch maaal!!«
    Fräulein Krise träumt seit Jahren davon, mit einem Flickflack in die Klasse zu kommen und direkt auf ihrem Stuhl zu landen. Ich antizipiere den Salto rückwärts – unvermutet aus dem Stand. Zaubern können wäre auch schon gut, unvermittelt die Kreide aus ungewaschenen Schülerohren ziehen. Oder Freestyle-Rappen: die ganze Stunde, den Lehrervortrag, die Aufgabenstellung – jeder Impuls wird gerappt. Aber ich kann nicht mal Gitarre spielen oder realistisch zeichnen (könnte ich zeichnen, wäre ich doch nicht Kunstlehrerin geworden). Der Klassiker, zum Schülerbeeindrucken, ist natürlich Karate. Mit der Harley vorfahren wäre auch okay. Jedes Mal, wenn mir auf dem Hof der Fußball vor die Füße rollt, wittere ich meine große Chance und werde dann doch nur ausgelacht beim Versuch, möglichst brasilianisch zurückzuschießen. Auf dem Schulfest neulich habe ich es mit Breakdance versucht … – auch da bin ich kläglich gescheitert und erntete nur Mitleid.
    Ah, da fällt mir ein, eine Sache kann ich ganz gut: Durch jahrelanges Trainieren gewisser Muskeln – Gastronomiejobs – und eine besondere Hebeltechnik bin ich ganz gut im Armdrücken. Geht mir ein Schüler im Unterricht zu sehr auf den Geist, sage ich ihm, er solle nach der Stunde noch mal kurz bleiben. Er erwartet das berühmte pädagogische Gespräch und ist dann entsprechend überrascht von meinem: »Okay, jetzt zeig mal, was du drauf hast!« Meistens endet es unentschieden, aber ein paar schwächliche Großmaul-Schüler habe ich auch schon besiegt. Das spricht sich natürlich rum. (Kleiner Tipp: Man schafft kräfte mäßig immer nur einen Schüler, also das: »Ich auch, ich auch!« souverän an dir abprallen lassen.)
    Fräulein Krise trifft mit der linken Hand vom Lehrerpult aus den Papierkorb. »Musste mal üben, macht Spaß.« Ich sehe es ein, man muss klein anfangen, aber heimlich träume ich immer noch vom Salto. Da haben es die Schüler einfacher. Ich wäre schon beeindruckt, wenn sie einen eigenen Bleistift dabeihätten oder für die Vokabeltests üben würden.
    Ihr Sohn geht mir auf den Sack
    Genauso illusorisch wie mein Salto ist die regelmäßige Mitarbeit meiner Schüler. Und dann kommt leider der Teil des Berufs, der mich echt nervt: Immer muss man so pädagogisch sein. Immer, immer, immer. Die Schüler benehmen sich, wie sie wollen – meistens total daneben –, und unsereins: immer schön pädagogisch. Das heißt, immer das Richtige sagen. »Nicht mit dem Stock spielen, das kann ins Auge gehen, bitte die Stühle anheben, schlag die Tür nicht so doll zu, die geht sonst kaputt, und die war ganz schön teuer, nimm bitte den Kaugummi raus, sonst verstehe ich dich nicht, und wenn du so laut und mit offenem Mund kaust, sieht das nicht schön aus, du sollst das von der Tafel abschreiben, weil sich das dann besser einprägt, wenn du es einmal selbst geschrieben hast, wenn ich dich jetzt aufs Klo gehen lasse, dann muss ich ja alle gehen lassen, sonst wäre das ja ungerecht, erinnerst du bitte deinen Vater daran, dass ich ihn sprechen möchte, ich darf euch aus versicherungstechnischen Gründen nicht vor dem Klingeln gehen lassen, wenn ihr hier eure Böreks esst, dann werden die Tische fettig, und du willst doch wohl auch nicht deinen Hefter in einen Fettfleck legen, lass ihn bitte los, du möchtest das

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