Chimären
seine Reichweite, und es tat ihm äußerst wohl, als es ihm mit seinen kleinen Händen ins Nackenfell griff.
Einige Augenblicke lang genoss Lux dieses Kraulen, dann schnappte er nach dem Rest des Hörnchens, der beschmutzt am Boden lag und verzehrte ihn hastig.
Als die Frau gestikulierend mit einem Mann eilig um die Häuserecke bog und weitausholend zur Bank, zum Kind und auf ihn zeigte, stiebte Lux mit großen Sätzen davon.
M anuel Georges verließ die Museumsbaustelle. Er sah zur Uhr. Nochmal zur Werkstatt zu fahren, lohnte an diesem Tag nicht mehr, es dunkelte bereits. Er nahm stopp and go auf dem Nachhauseweg gelassen hin. Die Idee zu einem neuen Entwurf füllte sein Denken, und er betrat verhältnismäßig entspannt die Wohnung. Ein wenig verwundert war er dann doch, als er Shirley bereits antraf. Sie ruhte entgegen ihrer Ge wohnheit angezogen auf der Liege, nur die Schuhe hatte sie abgestreift, sie lagen liederlich mitten im Zimmer.
Sie beantworte matt sein „Hallo“, hob nur ein wenig den Kopf dabei und ließ ihn sogleich wieder aufs Kissen fallen.
„Nanu Shirley, ist dir nicht gut?“, fragte Manuel besorgt.
„Oh doch, doch.“ Nun setzte sie sich auf, saß aber gebeugt mit zausligem Haar und starrte vor sich hin.
„Also – was ist!“ Manuel kniete vor sie hin, hob ihr Kinn und sah ihr ins Gesicht.
„Nichts weiter – Lux ist weg.“
„Ah.“ Manuel setzte sich neben sie. „Einfach abgehaun?“
Shirley nickte.
„War das nicht dein Liebling?“
„Hm.“ Shirley lächelte schwach.
„Er dankt dir aber deine Liebe offenbar nicht – bestimmt ist eine läufige Hündin schuld“, versuchte er zu scherzen.
Shirley antwortete nicht, verfiel erneut in ihre Lethargie.
„Na komm!“ Manuel stieß sie leicht an. „Es ist ein Hund, und erfahrungsgemäß kommen die wieder. Außerdem habt ihr ja wohl noch ein paar andere. Auf jeden Fall überhaupt kein Grund, miesepetrig zu sein.“
Sie hob den Kopf, verzog den Mund. „Du hast ja keine Ahnung“, sagte sie mit einem tiefen Seufzer.
„Wieso habe ich keine Ahnung?“, fragte er erstaunt. „Wir hatten zu Hause immer Hunde, ich kenn’ mich da aus.“
Shirley sah den Freund an. „Es kann sein, Manuel, dass ich… dass das Institut…“ Sie vollendete den Satz nicht und senkte den Kopf.
„Augenblick, Augenblick! Du willst doch nicht etwa sagen, dass wegen des Hundes der Firma Probleme entstehen.“ Nun schwang in seiner Stimme doch schon etwas Erregung mit.
„Leider.“
„Das musst du mir erklären!“
Shirley schüttelte den Kopf.
Manuel stand auf, entnahm der kleinen Hausbar eine halb gefüllte Karaffe, schenkte roten Wein in zwei Gläser, reichte Shirley eines und setzte sich wieder neben sie. „Nun red’ schon“, sagte er sanft. „Prost!“
Shirley nippte mechanisch und schüttelte dann abermals den Kopf. „Ich darf nicht“, murmelte sie leise.
„Na, hör’ mal!“ Seine Entrüstung klang nicht ganz ernsthaft. „Also!“
„Lux ist kein normaler Hund.“
„Na, das kann ich mir denken. Was durch eure Hände gegangen ist, kann gar nicht mehr normal sein.“ Er lachte eine Sekunde über seinen Scherz. „Was habt ihr mit dem so Bedeutendes gemacht, dass das gesamte Institut und der Lehmann krachen gehen sollen und deine schöne Arbeit mit, nur weil ein Hund ausgebüxt ist?“
„Er ist – operiert.“
„Welche von euren Versuchskreaturen denn nicht?“
„Schon – in dem Fall ist der Gesetzgeber… Das verstehst du nicht.“
Manuel schwieg. Nachdenklich trank er einen Schluck von seinem Wein. „Und du steckst mit drin!“, sagte er suggestiv.
„Es sind meine Forschungsergebnisse – ist meine Arbeit, verstehst du? Nein, verstehst du nicht!“ Es klang heftig, wie sie das sagte. Und wieder resignierend: „Mit einem Schlag ist alles weg.“
„Na, na – wenn’s so wichtig war, könnt ihr doch alles wiederholen. Da gibt’s doch Protokolle, Erkenntnisse. Mein Gott, es ist doch nichts unersetzlich!“
„Stimmt“, bestätigte sie bitter. „Es gibt allein in unserem Labor seit heute neun dieser, dieser Kreaturen. Aber wenn die Öffentlichkeit…“
„Nun sag’ doch schon…“, er schüttelte leicht den Kopf und klopfte ihr väterlich auf die Schulter, „was ist denn dran an deinem VersuchsLux, dass ihr derart katastrophale Folgen ob seines Abgangs
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