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Chindi

Chindi

Titel: Chindi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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hinaus.
    Er sah gut aus, und als er sie mit einem unsicheren Lächeln begrüßte, war es, als würden die Jahre schmelzen, die mächtigen Ringe über ihren Köpfen zurückweichen und den Platz für den Potomac freigeben. »Schön, dich zu sehen, Hutch«, sagte er. »Ist lange her.« Sein schwarzes Haar fiel ihm über den blauen Augen in die Stirn. Es war länger, als sie es in Erinnerung hatte.
    »Schön, dich zu sehen, Tor«, erwiderte sie. »Das ist eine nette Überraschung.« Im Stillen stellte sie fest, dass er sich doch irgendwie verändert hatte. Es war etwas in seiner Haltung, in seinen Augen. Sie sah es an der Art, wie er sich ihr näherte, das Gepäck in beiden Händen, den Blick mal auf sie, mal auf die Fähre gerichtet.
    Eigentlich rechnete sie mit einer Umarmung, doch er beschränkte sich auf einen raschen Händedruck und einen Kuss auf ihre Wange. Das Flickingerfeld flimmerte, als seine Lippen es berührten. »Ich hatte nicht erwartet, dich hier draußen zu treffen«, sagte er.
    »Warum hast du deinen Namen geändert, Tor?«
    »Wer würde schon jemandem mit Namen Vinderwahl Kunst abkaufen?«
    »Ich«, entgegnete sie.
    Er grinste. »Damit hätte ich also schon einen Abnehmer.« In diesem Moment entdeckte sie die Staffelei in seinem Gepäck.
    Seine Augen folgten ihrem Blick. »Darum bin ich hier«, erklärte er, nahm ein langes Rohr zur Hand und zog das Leinen heraus. Dann rollte er es ab und hielt es so, dass sie es sehen konnte. Er hatte den Gasriesen in all seiner Pracht am Himmel über dem Mond eingefangen. Ringe durchbrachen die Dunkelheit, und diverse Satelliten, manche zur Hälfte, manche nur ein Viertel voll, schwebten über den Nachthimmel. Vor dem gewaltigen Planeten war die Silhouette eines interstellaren Schiffs zu sehen.
    »Schön«, sagte sie. Seit den sterilen Landschaften, die er ihr damals in Arlington gezeigt hatte, hatte er offenbar viel gelernt.
    »Gefällt es dir?«
    »Oh, ja, Tor. Aber wie hast du das angestellt?« Sie sah sich auf dem sauerstofffreien Felsbrocken um. »Hast du da drin gearbeitet?«
    »Nein. Ich habe die Staffelei da drüben aufgestellt.« Er zeigte ihr eine Stelle in der Nähe eines Felsens, der als Armlehne oder sogar als Sitzplatz gedient haben mochte.
    »Friert hier nicht alles ein?«
    »Das Leinen ist temperaturunempfindlich, die Farben eine Spezialmischung mit weniger flüchtigen Bindemitteln.« Er lächelte, sichtlich zufrieden mit seiner Arbeit, und packte sie wieder ein. »Funktioniert wirklich ganz gut.«
    »Aber warum?«
    »Ist das dein Ernst?«
    »Natürlich. Es muss ein Vermögen kosten, hierher zu kommen. Und das nur, um ein Bild zu malen?«
    »Geld spielt keine Rolle, Hutch. Nicht mehr. Hast du eine Ahnung, wie viel das wert sein wird, wenn ich wieder auf die Erde zurückkehre?«
    »Nicht die Geringste.«
    Er nickte, als wäre die Summe jenseits aller Vorstellungskraft. »Kaum zu glauben, dass wir uns ausgerechnet an einem Ort wie diesem wieder begegnen.« Er setzte sich, schlang die Arme um die Knie und blickte zu ihr auf. »Du bist so schön wie eh und je, Hutch.«
    »Danke. Und herzlichen Glückwunsch, Tor. Ich freue mich für dich.«
    Im Lichtschimmer der Ringe sah Tor beinahe verwegen aus. Er zog eine Fernbedienung aus seiner Westentasche, richtete sie auf die Kuppel und betätigte eine Taste. Die Kuppel sackte in sich zusammen, bis nur noch ein kleines Paket übrig war, das sie zusammen mit den Luft- und Wassertanks einsammelten und in die Landefähre trugen.
    George und die anderen erwarteten sie bereits sehnsüchtig. Hände wurden geschüttelt, Drinks serviert, gelacht und immer wieder betont, was für eine Überraschung es doch sei, dass er und Hutch einander kannten, und wie schön, dass er dabei wäre, und dass sie sich nun auf die Suche nach der größten aller Entdeckungen machen würden.
    Die anderen baten Tor, er möge ihnen zeigen, was er geschaffen hatte. Er erfüllte ihnen die Bitte und erntete eine Menge Oooohs und Aaaahs. Wie er das Werk nennen wollte, erkundigte sich eine begeisterte Alyx.
    Diese Frage hätte Hutch ihm stellen sollen.
    »Nachtflug«, sagte er.

 
Kapitel 7
     
     
»Etwas Außergewöhnliches wird sich ereignen.«
    Mr Micawber
in David Copperfield, Charles Dickens, 1850
     
    Während der letzten Woche ihrer Reise machte Tor keinen Versuch, ihre Beziehung wieder in die alten Bahnen zu lenken. Da gab es kein verstohlenes Lächeln, keine versteckten Andeutungen, keine einsamen Besuche in dem Bereich des Schiffes, in

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