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Chocolat

Chocolat

Titel: Chocolat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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Mandeln.« Sie legte das Geld auf den Tisch. »Ich habe gerade noch genug Zeit, bevor mein Bus fährt.«
    »Ihr Bus?« Ich war verblüfft. »Wohin?«
    »Agen.« Sie schaute mich trotzig an. »Wohin esanschließend geht, weiß ich noch nicht. Vielleicht nach Marseille. So weit weg von ihm wie möglich.« Sie sah mich zugleich mißtrauisch und überrascht an. »Sagen Sie bloß nicht, ich soll es nicht tun, Vianne. Sie haben mich schließlich dazu ermutigt. Von allein wäre ich nie auf die Idee gekommen.«
    »Ich weiß, aber –«
    Ihre Worte klangen wie ein Vorwurf.
    »Sie haben mir gesagt, ich sei frei.«
    Das stimmte. Frei, davonzulaufen, frei, auf das Wort einer Fremden hin aufzubrechen, abzuheben wie ein losgebundener Luftballon, der mit dem Wind davontreibt. Die Angst schnürte mir plötzlich das Herz zusammen. War das der Preis dafür, daß ich bleiben durfte? Daß sie an meiner Stelle in die Welt hinaus ging? Welche Möglichkeiten hatte ich ihr eigentlich eröffnet?
    »Aber Sie fühlten sich doch in Sicherheit.« Ich brachte die Worte kaum heraus, denn ich sah das Gesicht meiner Mutter in ihrem. Ihre Sicherheit aufzugeben für ein paar neue Erfahrungen, für einen flüchtigen Blick auf das Meer … und dann? Der Wind wirft uns immer wieder zurück an dieselbe Wand. Ein Taxi in New York. Eine dunkle Gasse. Ein strenger Frost.
    »Sie können nicht einfach vor allem davonlaufen«, sagte ich. »Ich weiß es. Ich habe es versucht.«
    »Also, in Lansquenet kann ich jedenfalls nicht bleiben«, sagte sie schnippisch, und ich sah, daß sie den Tränen nahe war. »Nicht, solange er hier ist.«
    »Ich erinnere mich noch gut, wie es war, als wir ein solches Leben geführt haben. Immer unterwegs. Immer auf der Flucht.«
    Sie hat ihren eigenen Schwarzen Mann. Ich sehe es an ihren Augen. Er besitzt die Stimme der Autorität, die keinen Widerspruch duldet, eine trügerische Logik, die einen starr, gehorsam und ängstlich macht. Sich von dieser Angst zu befreien, voller Hoffnung und Verzweiflung davonzulaufen, nur um irgendwann festzustellen, daß man den Schwarzen Mann inseinem Innern mit sich trägt wie ein bösartiges Kind … Am Ende wußte meine Mutter es. Sie sah ihn an jeder Straßenecke, im Bodensatz jeder Tasse. Er grinste sie von Plakatwänden an, beobachtete sie aus jedem Auto heraus, und wenn es noch so schnell vorüber fuhr. Und mit jedem Herzschlag kam er näher.
    »Wenn Sie davonlaufen, werden Sie Ihr Leben lang auf der Flucht sein«, sagte ich eindringlich. »Bleiben Sie lieber bei mir. Bleiben Sie und kämpfen Sie mit mir gemeinsam.«
    Joséphine schaute mich an.
    »Bei Ihnen?« Ihre Verblüffung war beinahe komisch.
    »Warum nicht? Ich habe noch ein Zimmer, ein Klappbett …« Sie schüttelte bereits den Kopf, und ich widerstand dem Impuls, sie an den Armen zu packen und zum Bleiben zu zwingen . Ich hätte es gekonnt. »Nur eine Zeitlang, bis Sie etwas anderes finden, bis Sie einen Job finden –«
    Sie begann beinahe hysterisch zu lachen.
    »Einen Job? Ich kann doch nichts. Außer putzen – und kochen – und Aschenbecher leeren und – B-Bier zapfen und den G-Garten umgraben und mich jeden F-Freitagabend von m-meinem Mann ficken lassen …« Sie lachte immer lauter, hielt sich den Bauch mit beiden Händen.
    Ich versuchte, ihren Arm zu nehmen.
    »Joséphine. Ich meine es ernst. Sie werden etwas finden. Sie brauchen nicht zu –«
    »Sie müßten ihn mal sehen.« Sie lachte immer noch, jedes Wort schoß aus ihrem Mund wie eine bittere Kugel, ihre Stimme war voller Selbstverachtung. »Dieses geile Schwein. Dieses fette, haarige Schwein.« Und plötzlich weinte sie ebenso heftig, wie sie gelacht hatte, die Augen fest zugekniffen und die Hände an die Wangen gepreßt, als versuchte sie, eine innere Explosion zu verhindern.
    Ich wartete.
    »Und wenn er fertig ist, dreht er sich um und fängt an zu schnarchen. Und am nächsten Morgen versuche ich«, fuhr sie mit vor Ekel verzerrtem Gesicht fort, mühsam dieWorte formend, »versuche ich, seinen Gestank aus den Laken zu schütteln, und jedesmal habe ich mich gefragt: Was ist mit mir geschehen? Mit Joséphine Bonnet, d-die so gut in der Schule war und einmal davon geträumt hat, T-Tänzerin zu werden …«
    Plötzlich sah sie mich wütend und zugleich ruhig an.
    »Es klingt vielleicht albern, aber ich habe immer gedacht, daß das alles ein Irrtum sein müsse, daß eines Tages jemand kommen und mir sagen würde, das alles sei nicht wahr, das alles sei der

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