Cholerabrunnen
Dann jedoch schaut er seinen Sohn an.
„Du musst es fortsetzen, verstanden? Ich weiß nicht, wie lange ich noch habe… Herz und so weiter. Aber… Du musst!“
Holger nickt wissend. Der Dicke ist zufrieden.
Eine simple DVD ist es. In einer Auktion steht sie auf einer bekannten Onlineplattform, zieht eine Menge meistbietende Interessenten an. Der Preis klettert nach einem Startgebot von gerade einmal 999 Euro schon in den fünfstelligen Bereich. Der kurze Trailer, den Mauersberger zusammenstellen ließ, sagt vieles. Man sieht eine Stadt, die ausgelöscht wird. Man erkennt genau, was geschah. Und der darunter angehängte Bericht verrät, dass sogar offene Fragen zu klären wären.
Anfragen treffen ein. Das Internet ist eine Erfindung, denkt der Chef der Cholerabrunnengruppe, die es vor Jahren schon hätte geben müssen. Dann, und er schämt sich nicht für den Gedanken, wären einige Taten unnötig gewesen, orderte er sicher bestimmte Leistungen, wie das Graben unter dem Platz, Recherchen und Befragungen von Menschen, wie den Wagners, bei ganz anderen, brauchte nichts mit einem Frenzel und den anderen zu beginnen, sich nicht auf Geheimdienste einzulassen, selbst im Schlamm zu waten. Dieses Netz, einmal als Kommunikationsträger gedacht, um in Zeiten eines neuen Krieges weltweit miteinander reden zu können und Informationen auszutauschen, entwickelte sich nun schon zu etwas, mit und in dem man alles tun kann.
Handel. Man sitzt irgendwo auf der Welt, auf einer Insel, in einer Stadt, abgeschieden in den Bergen, braucht nur einen Satelliten über oder einen Funkmast neben sich… und schon ist man drin, erreicht alles, verdient noch mehr, erfährt dabei vieles.
So auch, wer für die Morde an den Wagners zuständig ist. Er hatte ihn immer im Verdacht, doch nun gibt es Gewissheit. Das auch noch, weil er so unvorsichtig war, sich bei einem Dienst mit seinem echten Namen anzumelden. Nun, da er die DVD produzieren ließ und sie hier in einer Auflage von maximal zehn Stück verkaufen will, erntete er viel Schelte… neben den Angeboten. Natürlich aus den üblichen Lagern. Die, die ihn einschüchtern wollten, denen er nicht nur das Geschäft verweigerte, sondern auch jede weitere Kommunikation, waren die Ersten. Sie drohten ihm, das auch noch unverhohlen. Er überlegte, ob er das veröffentlicht. Nein, er legte sich auf seine Lebensversicherung, versuchte, besonders Warner und Borissow davon zu überzeugen, dass dieses Netz auch den Vertrieb der Scheibe für diese Herren unabwendbar machte. Er musste dazu nicht leben. Dann waren sie still. Und Weinert meldete sich. Er hätte ein Anrecht darauf. Ja, natürlich… wer ohne Skrupel tötet… Bauer tut Mauersberger immer noch leid. Der Mann macht sich Sorgen wegen des damaligen Mordes… und er kann ihm diese nicht einmal nehmen. Will er es überhaupt? Nein, so hat er ihn weiter unter Kontrolle. Und Weinert… bekommt er auch noch. Ganz sicher. Der ist zu dumm… oder zu sehr von sich überzeugt.
„Er hat kein Alibi. Zumindest scheint es so. Sie sollten ihn unbedingt befragen, Herr Hauptkommissar. Vielleicht kommen wir so ein Stück näher an die Wahrheit?“
Glöckner wächst wieder über sich hinaus. Behringer steht am Fenster und schaut auf das Gedränge vor dem Haus. Nein, keine Demonstration, auch nichts anderes. Er wurde wegen baulicher Mängel am Polizeizentrum gebeten, für ein paar Monate zurück in die Innenstadt zu ziehen. Bauliche Mängel… Wer nimmt eigentlich diese Dinger ab, diese Gebäude? Wenn er sich oben umschaut, kann er nichts entdecken. Die Bauaufsicht behauptet nun, dort wäre schwarz einiges verändert worden. Vielleicht baute man Türen ein, statt nur Löcher zu lassen? Er grinst, dann wird er wieder ernst und greift nach den beiden Bögen, die ihm sein Assistent reicht. Kurzes Überfliegen… ja, der hat recht. Von den Befragten, die aus Sicht der Dresdner Behörden etwas mit den Wagners zu tun hatten, war Weinert auf jeden Fall im vorderen Feld der Verdächtigen angesiedelt und nach einem ersten Check seiner Handydaten könnte er gar in Westfalen gewesen sein.
Könnte… er flucht vor sich hin. Wieso könnte? Ist es nicht offensichtlich? Scheinbar nicht. Die vielen Gesetzessprünge, die man machte, nützen alle nichts, wenn man nun nicht einmal die Handydaten auf Vorrat speichern darf. Natürlich besorgte er sich einen Beschluss, auch wenn letzte Woche bereits feststand, dass die Mobilfunkgesellschaft sicher schon nichts mehr hat…
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