Cholerabrunnen
hier nur eben einmal nachsehen soll. Außerdem… sobald sie vor dem Tresor stehen, müssen die anderen Kerle weg, sollen sich ausschlafen. Wie sie zu dritt zwar… nein, Heber kommt auch noch. Frenzel ging eben, rief ihn an. Der ist sicher in einer halben Stunde da, kann den Kollegen den Hinweis auf die Nachtruhe geben und dann sind sie auf sich allein gestellt. Außerdem kommt ja auch noch der Kranwagen… na ja, Heber wird ihn fahren. Hoffentlich kann er ihn auch bedienen. Bei manch einfacheren Dingen überhob sich der eine oder andere Unternehmer schon gewaltig.
Mauersberger setzt sich den schmalen und im Ernstfall sicher wenig helfenden, vor allem kaum schützenden Helm auf den Kopf. Er grinst, als Schnittge schmunzelt.
„Keine aktuelle Mode, ich weiß!“
Dann befestigt er die Stirnlampe daran. Sie rutscht immer wieder nach oben und er droht sie so zu verlieren.
„Warte!“
Schnittge greift zu und befestigt sie an dem Schutzkäfig unter der Plastikschale. Nun rutscht nichts mehr. Mauersberger dankt und schaut auf seine Stiefel. Damit wird er schon beim Kriechen Probleme bekommen. Er lässt sie doch an. Die guten italienischen Schuhe stehen im Auto, das parkt an der Schießgasse und er hat echt keine Lust, die jetzt einzubüßen, noch Zeit zu verlieren. Heber wird schnell genug hier sein und dann… ist nicht einmal mehr genügend Manpower da, ihn herauszuziehen. Es sei denn, sie hängen ihn an den Kran. Er lacht, als er daran denkt.
Oben auf den Balkonen erscheint schon wieder ein Mann. Weiter unten eine Frau in einem rosafarbenen Nachthemd. Na ja, könnte auch weiß sein. Die Strahler spenden ein leicht rötliches Licht und man kann nicht genau sagen, welche Farbe die sonst grauen Pflastersteine haben, wenn man sie nicht kennen würde.
„Oh, Ruhe… herrlich! Hört Ihr jetzt auf?“
Schnittge übernimmt, winkt hinauf und meint, sie müssten erst einmal verschnaufen. Gleich verschwindet der Mann wütend. Die Frau lehnt sich über das Geländer.
„Hatten wir noch nie, so einen Krach in der Nacht. Nicht mal, als die Panzer durch die Stadt rollten!“
Oha, sie scheint alt zu sein. Trotzdem sehen sie von unten ihre vielen Haare, die auf ihren Schultern noch lange nicht enden. Manch einer mag wohl nicht in Würde alt werden? Ihnen steht sicher kein Urteil zu, aber Schnittge grinst, ehe er sich noch einmal entschuldigt und zurück zum Loch geht.
Mauersberger prüft den Knoten um seinen Bauch. Die Leine soll ihn schnell durch das Wirrwarr der hinter dem Loch vermuteten Gänge zurückführen, wenn er vielleicht keine Luft mehr bekommt oder etwas Anderes geschieht. Er denkt auch nicht daran. Er will einfach nur… Erfolg haben.
Vorsichtig kniet er sich hin. Einer von Hebers Arbeitern schüttelt nun den Kopf.
„Mann, so alt… soll ich nicht lieber?“
Schnittge macht eine abwertende Geste und der Mann hält den Mund. Dann kommt Frenzel zurück.
„So, Heber ist unterwegs. Kommt dann gleich. Und dann…“
Mauersberger winkt ab, schiebt ein paar Kleidungsfetzen zur Seite, die gleich hinter dem freigelegten Zugang zu sehen sind, schaudert, als er daran denkt, auch über Tote steigen zu müssen, falls dort welche liegen, fängt sich, nickt den anderen zu und lässt sich in das Loch gleiten. Drinnen sehen sie noch einen Lichtkegel hin und her huschen, dann wird es dunkel im Loch.
„Wir hätten ihm ein Funkgerät mitgeben sollen. Verdammt noch eines… wenn der Hilfe braucht und wir es nicht an der Leine bemerken, kommt der nie wieder lebend raus!“
Schnittge schimpft mit Frenzel. Der bleibt nun still und schaut nur gebannt auf das Loch.
„Wahnsinn, oder?“
Sein Partner nickt. Dann hören sie schon in der Ferne einen schweren Motor, der lauter wird. Ist es kein Laster, der sich mitten in der Nacht in die Innenstadt verirrte, kann es sich eigentlich nur um den Kranwagen und damit Heber handeln. Das stimmt sie nicht unbedingt zuversichtlich, aber sie werden ruhiger.
Mauersberger unterdessen nimmt jede Ecke unter der Erde mit, die sich ihm bietet. Bald schon schmerzt ihm die Schulter und er flucht vor sich hin. Mann, wie man sich so prasslig anstellen kann! Dann hockt er sich in einen der zuerst gefundenen Hohlräume, leuchtet ihn nach und nach aus, versucht, sich auf der in Folie gesteckten Karte zurechtzufinden, was nicht so einfach ist, denn ihm bleiben nur sein Orientierungssinn und ein kleiner Kompass, dessen Nadel wild hin und her schwankt, weil sie sicher von allen möglichen auch
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