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Cholerabrunnen

Cholerabrunnen

Titel: Cholerabrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Jahnke
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magnetisch aufgeladenen Metallteilen hier im Boden abgelenkt wird. Er flucht dazu. Na ja, man muss sich eben anders orientieren… und schließlich glaubt er, eine Kreuzung aus einem Ausgang und der dahinter frei gebliebenen Türöffnung, erkennen zu können, also in etwa zu wissen, wo er ist. Na, ein kleiner Sieg, denkt er. Nur, dass er nun in eine ganz andere Richtung muss. Er muss das noch überprüfen.
     
    Der Diensthabende ist sauer. Drei Anrufe in Folge… und alles geht um Bauarbeiten. Ja, kann schon sein, dass sich jemand aufregt. Aber man sollte doch viel lieber froh sein, wenn soviel Neues entsteht und die Arbeiter ihre Arbeit, ihre Aufträge ernst nehmen. Gern würde er auch anpacken, aber er ist eben Polizist… und das bleibt er auch. Selbst, wenn sein Vater, der nun seit der Wende arbeitslos ist, ihn immer als den ‚Prügelknaben der Nation’ bezeichnet. Das ist eben so… daran wird auch Vater nichts ändern. Außerdem soll der sich nicht so haben. Schließlich ist er ja auch stolz, den Sohn gut untergebracht zu wissen. Kann eben nicht jeder nur auf Staatskosten leben. Nein, er macht seinem Vater sicher keine Vorwürfe.
    Trotzdem… nach drei Meldungen muss auch er etwas unternehmen. Einen Streifenwagen kann er hinschicken. Ob damit dem Bürgerwillen Genüge getan wurde? Er glaubt es nicht und es tut ihm schon in der Seele weh… na ja, was soll’s?
    „Toni vier bitte für Zentrale. Wo steht Ihr gerade?“
    Die Kollegen melden sich vom Hauptbahnhof. Gut, das ist vertretbar. Er schluckt und gibt die Meldung durch.
    „Nein, ich habe keine Genehmigung vorliegen. Die Stadtverwaltung schickt uns schon eine Weile keine mehr. Die meinen, das wäre nicht ihre Sache. Die einzelnen Gewerke müssten ihre Zulassungen und die entsprechenden Regelungen immer am Ort haben. Also, fragt nach der Nachtarbeitsgenehmigung und auch nach dem Lärm. Vielleicht können die einfach und schnell… ja, sicher, geht meist nicht, aber die Leute regen sich halt auf. Zeigt einfach Präsenz. Dann sind die zufrieden und alles ist gut.“
    Er wirft das Mikrofon auf den Tisch. Solche Trottel… nein, nicht die Kollegen, diese Leute da. Sollen froh sein, dass…
    Er wiederholt sich und trinkt noch einen Kaffee, den die kleine, dampfende Maschine ausspuckt. Schmeckt nicht. Seine Mutter bekommt ihn besser hin. Aber das Gefühl zählt. Er denkt, er tat etwas gegen die aufkommende Müdigkeit. Und da gibt es wirklich Kollegen, die sich dauerhaft für den Nachtdienst melden… na ja, wäre nichts für ihn. Sechs Wochen insgesamt im Jahr, die reichen ihm.
    Noch einmal geht er die Meldungen durch. Ist schon ein gigantischer Bau, den man dort am Neumarkt in Angriff nahm. Er kann sich nur wundern. Und ein paar Mann arbeiten also auch Nachts. Na ja, wenn genügend Geld da ist, lässt sich eben alles bezahlen. Sein Vater berichtete ihm, dass man früher kaum wirkliche Zuschläge für eine Nacht- oder eine Spätschicht bekam. Heute geht das richtig in die Brieftasche… gut eigentlich. Spürt er auch auf der Dienststelle. Trotzdem… sechs Wochen. Mehr nicht. Er grinst. Und die Bauarbeiter werden die Augen hochziehen. So ist das eben…
     
    „Polizei. Verdammt noch eines!“
    Heber kam eben mit dem alten Tatra 813 an. Er fuhr direkt neben das Loch, aber nicht auf die Seite, unter der sie Mauersberger vermuten. Nun fährt er die Stabilisierungsstützen aus und richtet den Ausleger schon über die Grube.
    „Was wollen die denn hier?“
    Keiner kann etwas sagen. Verflixt eben… sie können nur abwarten.
     
    „Guten Abend… ähm… eher schon Guten Morgen! Wachtmeister Schaller und Polizeianwärterin Wenzel. Es gab Beschwerden… wer ist denn hier verantwortlich?“
    Schnittge schaut zu Heber. Der zuckt zusammen, meldet sich dann aber und geht gleich auf die Beamten zu.
    „Also, haben Sie die Genehmigungen dabei?“
    Nun schaut er wieder hilflos um sich. Schnittge kommt zu ihm.
    „Alles in Ordnung, Chef? Hoffe, wir bekommen das noch hin, ehe der Oberbürgermeister morgen zur Besichtigung kommt!“
    Heber will lachen, doch ein Kloß im Hals verbietet es ihm. Er schluckt nur schwer und nickt kurz.
    „Ja, ähm… wir sind spät dran, ich weiß. Aber der Verzug… und der angedrohte Regen… na ja, Sie wissen schon, Wachtmeister. Man hat es eben nicht leicht!“
    Schaller nickt vor sich hin, schaut in das Loch, auf den Kranwagen und zu den Häusern.
    „Wie lange machen Sie noch? Geht es durch oder haben Sie noch einen Pause?“
    Heber weiß

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