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Choral des Todes

Titel: Choral des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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unterzeichnest das Protokoll und fährst in aller Ruhe nach Hause. Wir setzen die Ermittlungen fort. Wir haben vielleicht noch eine andere Spur.«
    »Was für eine Spur?«
    »Die Kohle. Diese Typen jonglieren mit gewaltigen Summen. Entweder sie waschen schmutziges Geld, das aus Chile stammt, oder sie betreiben irgendeinen geheimen Schleichhandel. Die Steuerfahndung ist ihren Konten in der Schweiz auf der Spur. Wir warten auf die Genehmigungen seitens der Banken. Außerdem haben wir uns ihre extrem verschachtelten Aktiengesellschaften vorgeknöpft.«
    »All das wird Monate dauern.«
    »Vielleicht Jahre. Aber das ist alles, was wir haben.«
    Marchelier griff nach den ausgedruckten Seiten und hielt sie Kasdan hin:
    »Unterschreib deine Aussage. Wir werden sie unter der Kategorie heroic fantasy ablegen.«
    Kasdan ließ sich nicht zweimal bitten; er war froh, endlich wegzukommen, und verärgert darüber, dass die polizeilichen Ermittlungen an einem toten Punkt angelangt waren. Er versuchte zu schlucken, doch es gelang ihm nicht. Das erinnerte ihn an die Krisenzeit der achtziger Jahre, als er wegen der Neuroleptika ständig einen trockenen Mund gehabt hatte.
    Er stand auf und nickte dem Polizisten zu.
    Als er nach der Türklinke griff, sagte der andere:
    »Es gibt noch eine Lösung.«
    »Nämlich?«
    »Sich in die Kolonie einschleichen. Hartmann aufspüren. Wir wissen mit Sicherheit, dass der Deutsche im Causse lebt. Man müsste ihn entführen und nach Frankreich bringen, um ihm in aller Stille den Prozess zu machen. Wie es die Israelis mit den Nazis getan haben.«
    »Und wer könnte das tun?«
    »Jedenfalls nicht wir. Und auch nicht die anderen offiziellen Polizeikräfte. Auch nicht die Armee. Nur Einzelgänger könnten handeln. Typen, die nichts zu verlieren haben.«
    Kasdan begriff, dass der Polizist ihn meinte. Ein Kerl von dreiundsechzig Jahren, den man auf hundert Kilometer erkennen würde …
    »Heißt das, dass ich euren Segen habe?«
    »Jemand muss aufräumen. Und da ist es egal, wer die Sache in die Hand nimmt.«
    »Würdest du einem alten Armenier trauen?«
    »Nein. Aber ich kann dich nicht daran hindern, einen Ski-Kurs zu machen.«
    »Dieses Jahr hat es im Causse Méjean nicht geschneit.«
    »Du musst nur gründlich suchen. Ganz hoch oben liegt bestimmt genug Schnee, um Ski zu fahren.«

KAPITEL 72
    Der Spargel ist eine Pflanze der kalten Jahreszeit.
    Jedenfalls galt dies für diese spezielle Sorte. Volokine hatte bislang nicht auf den Unterschied zwischen weißen, violetten oder grünen Spargelsprossen geachtet. Hinzu kam der milde Winter 2006, der es gestattete, sie noch sicherer im Dezember anzupflanzen.
    Unter gewissen Bedingungen.
    Am Vortag hatten seine Arbeitskollegen Mist in den Gräben der Felder verteilt und die Wurzeln mit Chlorreiniger desinfiziert. Jetzt konnte man nach einem bestimmten Schema die gebündelten, faserigen Wurzelstöcke einpflanzen. Zwischen den Furchen musste ein Abstand von hundert Zentimetern eingehalten werden, und die Furchen mussten fünfundzwanzig bis dreißig Zentimeter tief sein. Was die Pflanzen selbst anlangte, so sollten sie in einem Abstand von fünfundvierzig bis fünfzig Zentimetern gepflanzt werden. Man musste zunächst erneut etwas Mist verteilen, dann die Pflanze flach darauflegen und die Wurzeln in Längsrichtung der Furche ausrichten. Anschließend wurde alles fünf Zentimeter hoch mit Erde bedeckt.
    Seit mittlerweile zwei Stunden führte Volokine immer die gleichen Handbewegungen aus, gebeugt über stinkenden Boden, die Handschuhe voller Mist. Der Rücken tat ihm weh. Seine Hände röteten sich. Und sein verletztes Bein brannte in der sibirischen Kälte wie ein glühendes Scheit.
    »Machen wir ’ne Pause?«
    Volokine richtete sich auf. Er arbeitete im Team mit einem jungen, kräftigen Tunesier. Der Typ – er hieß Abdel – hielt Volokine eine Zigarette hin.
    »Dürfen wir rauchen?«
    »Die können uns mal.«
    Beide trugen eine Jacke und eine Hose aus schwarzem Leinen, Treter und Baseball-Kappen im gleichen Farbton, die von der Kolonie bereitgestellt wurden. Nachdem der Russe seinen Glimmstängel angezündet hatte – eine köstliche herbe Marlboro –, musste er an das berühmte Gemälde L’Angélus von Jean-François Millet denken. Es war genau die gleiche Szene. Ein Mann und eine Frau, die im goldbraunen Licht auf einem umgepflügten Acker stehen. Einmal abgesehen davon, dass ihre Kleidung eher den Uniformen der Knastbrüder von Angola, dem größten

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