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Choral des Todes

Titel: Choral des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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und renoviert, um sie später zu vermieten und mit den Einnahmen seine Pension aufzubessern.
    Das Schicksal hatte ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Seine Frau Nariné war gestorben. Sein Sohn war fortgegangen. Plötzlich saß er allein in der Wohnung an der Place Balard, in der er zwanzig Jahre lang gelebt hatte. Um die Vergangenheit hinter sich zu lassen, war er in diese Räume hier eingezogen, die noch nach frischer Farbe rochen. Ideal für einen alleinstehenden Mann, sofern es ihn nicht störte, in einer Flucht von Einliegerzimmern zu wohnen, die alle gleich groß und nicht direkt miteinander verbunden waren. Ein weiteres Problem war die schräge Decke. Sobald er eine bestimmte Schwelle innerhalb der Zimmer überschritt, musste er sich bücken. Er hatte das Gefühl, nur zu fünfzig Prozent zu leben – was zur Demütigung der Pensionierung passte.
    Unter der Dusche dachte er darüber nach, wie weit er mit seinen Ermittlungen gekommen war. Für gewöhnlich verliefen seine Vormittage immer nach dem gleichen Muster: Aufstehen, Fahrt in den Bois de Vincennes, Joggen, Gymnastik, Rückfahrt, Frühstück, Zeitungslektüre bis elf Uhr, danach Papierkram, Internet, Post bis Mittag. Mittagessen. Nachmittags widmete er seinen »Angelegenheiten« – den verschiedenen armenischen Vereinen, die er betreute. Dabei ging es um Dinge, die niemanden interessierten, nicht einmal ihn selbst. Schließlich, um 16.00 Uhr, verdrückte er sich ins Quartier latin, mit Pariscope in der Tasche, auf der Suche nach einem guten alten Film. Manchmal dehnte er seinen Bummel bis zur Cinémathèque aus, deren Leitung die schlechte Idee gehabt hatte, an den Stadtrand von Paris, nach Bercy, umzuziehen.
    Er verließ die Duschkabine und betrachtete sich im Spiegel. Das kurz geschorene graue Haar verstärkte noch seinen harten Gesichtsausdruck. Schroffe Züge, die nicht weich werden wollten. Tiefe Falten, wie mit einem Messer in Ton geritzt. Eine riesige Nase, eine regelrechte Felskuppe, von der Furchen der Verbitterung ausgingen. In dieser kargen Landschaft gab es nur eine Sache, die mit dem Rest kontrastierte: zwei graue Augen, die zwei Wasserlachen glichen. Die Oasen seiner Wüste Ténéré.
    Er ging zurück ins Schlafzimmer, zog sich an, begab sich in die Küche und stellte den aktuellen Arzneimittel-Cocktail zusammen. Eine Tablette Depakote, 500 mg, und eine Tablette Cipralex, 10 mg. In den vierzig Jahren, in denen er Medikamente einnahm, hatte er nie so genau wissen wollen, wie all die Substanzen, die er schluckte, eigentlich wirkten. Immerhin hatte er verstanden, dass Depakote ein stimmungsaufhellendes Medikament ist, während Cipralex ein Antidepressivum der neuesten Generation war. Die Kombination dieser beiden Substanzen hielt ihn unerklärlicherweise auf den Beinen.
    Mit dreiundsechzig Jahren genoss Kasdan diese relative Ruhe. Er hatte auf dem Gebiet der psychiatrischen Erkrankungen alles durchgemacht – Depressionen, Halluzinationen, Wahnzustände … Und auch auf dem Gebiet der Therapien. Er war ein echter Vidal. Teralithe und Anafranil in den siebziger Jahren. Depamide und Fluoxetin in den achtziger Jahren. Ganz abgesehen von den Neuroleptika, die er während seiner manisch-depressiven Phasen hatte einnehmen müssen, die im Fachjargon auch »akute psychotische Schübe« genannt wurden. Im Lauf der Jahrzehnte hatte er miterlebt, wie sich die Therapien verfeinert hatten, und zwar so, dass er heute maßgeschneiderte Medikamente ohne Nebenwirkungen erhielt. Das war kein Luxus.
    Er bereitete sich einen Kaffee zu, auf altmodische Art, mit Pulver und Filter. Auf eine neue Kaffeemaschine mit Kapseln hatte er verzichtet, als man ihn in einem Geschäft mit warmen Farbtönen und lächelnden Verkäuferinnen gebeten hatte, ein Formular mit Fragen nach seinen intimsten Vorlieben auszufüllen, um einen Mitgliedsausweis zu erhalten. Er hatte erwidert, er wolle lediglich guten Kaffee trinken und keiner Sekte beitreten. Kasdan ertrug diese Konsumgesellschaft mit ihren Preisausschreiben und Kundenkarten nicht mehr. Eine bornierte, ängstliche materialistische Gesellschaft, in der das größte Risiko darin bestand, seinen besten Freund eine Zigarette anzünden zu sehen, und der Gipfel des Glücks darin lag, seine Weihnachtseinkäufe ausschließlich mit Geschenkgutscheinen zu bezahlen. Er lächelte. Im Grund ging ihm alles auf die Nerven. Mendez hatte recht: Schlechte Laune war eine »weitere Schrulligkeit alter Menschen«.
    Kasdan nahm seinen

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