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Choral des Todes

Titel: Choral des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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vierten Läuten wurde abgenommen. Kasdan verlangte den Pater.
    »Am Apparat«, erwiderte eine Baritonstimme mit Nachdruck.
    Kasdan stellte sich vor und kam auf den Fall Hugo Monestier zu sprechen.
    »Ich habe damals schon alles gesagt.«
    »Aufgrund neuer Erkenntnisse wird der Fall neu aufgerollt.«
    »Was für neue Erkenntnisse?«
    »Die Schweigepflicht verbietet es mir, Ihnen Auskünfte zu geben.«
    »Ich verstehe. Was wollen Sie wissen?«
    »Was ist Ihre Meinung von Wilhelm Götz?«
    »Jetzt verstehe ich, weshalb Sie vorbeigekommen sind. Der Tod von Götz.«
    »Wisssen Sie Bescheid?«
    »Ja. Vater Sarkis von der Kathedrale Saint-Jean-Baptiste hat mir eine Nachricht hinterlassen. Wie schrecklich.«
    Sarkis hatte in der Tat sämtliche Pfarreien verständigt. Der Priester sprach in einem ernsten, langsamen Ton mit korsischem Akzent.
    Kasdan fuhr fort:
    »Ich präzisiere meine Frage: Halten Sie es für möglich, dass Wilhelm Götz etwas mit dem Verschwinden von Hugo Monestier zu tun haben könnte?«
    »Auf keinen Fall. Die Polizei hat diese Spur sehr schnell aufgegeben. Ich erinnere mich, dass sie anfangs wie die Geier um ihn gekreist sind. Bedauerlicherweise schien seine Homosexualität in den Augen Ihrer Kollegen einen belastenden Umstand darzustellen.«
    »Wussten Sie, dass er homosexuell ist?«
    »Das war ein offenes Geheimnis. Obwohl sich Götz bemüht hat, sein Privatleben abzuschirmen.«
    »Kam es zu keinerlei Übergriffen gegenüber den Jungen?«
    »Nein, er verhielt sich völlig korrekt. Und er war nicht nur ein großer Musiker, sondern auch ein begnadeter Pädagoge. Wenn ich Sie wäre, würde ich den Grund für seine Ermordung woanders suchen.«
    »Können Sie mir einen Tipp geben?«
    »Keinen Tipp, es ist nur ein Eindruck. Wilhelm Götz hatte Angst, furchtbare Angst.«
    »Wovor?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Kasdan blickte auf seine Uhr: zehn Uhr.
    »Ich würde gern mit Ihnen unter vier Augen über all das sprechen.«
    »Wann immer Sie wollen.«
    »In einer knappen Stunde bin ich bei Ihnen.«
    »Ich erwarte Sie in der Sakristei. Sie finden uns an der Place Saint-Thomas-d’Aquin in der Nähe des Boulevard Saint-Germain.«
    Der Armenier legte auf, während Volokine gekämmt, rasiert und strahlend wie ein frisch gebadetes Baby in der Tür zur Küche erschien. Obwohl er noch immer seinen zerknitterten Anzug trug, wirkte er wie neugeboren. Volo nahm ein Croissant aus der Schale und verschlang es mit zwei Bissen.
    Dann deutete er auf die Akte auf dem Tisch:
    »Hat es Ihnen gefallen?«
    »Gute Arbeit. Aber das ist erst der Anfang.«
    »Klaro. Ich hab schon eine weitere Recherche angeleiert. Bei der Dienststelle für Vermisste und beim Jugendschutzdezernat. Um herauszufinden, ob nicht noch weitere Sängerknaben verschwunden sind.«
    »Bei Chören, die nicht von Götz geleitet wurden?«
    »Nur so eine Idee. Wir konzentrieren uns auf den Chilenen. Aber die andere Gemeinsamkeit dieser Jungen besteht darin, dass sie reine, klare, unschuldige Stimmen haben. Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich habe selbst gesungen. Das ist eine Gabe, die man als Kind nicht zu würdigen weiß. Ein echtes Geschenk des Himmels, das mit dem Stimmbruch verschwindet.«
    »Glaubst du vielleicht, dass ihre Stimmen der Grund für ihr Verschwinden sind?«
    »Ich hab keine Ahnung. Vielleicht liegt dem Ganzen eine Perversion zugrunde, die etwas mit religiösen Gesängen zu tun hat. Ich hab schon so viele bizarre Sachen gesehen …«
    Kasdan dachte an das Miserere , das er am ersten Abend bei Götz gehört hatte. Diese Stimme, die ihn erschüttert hatte und die gleich einem Magneten seine geheimsten Verletzungen an die Oberfläche seines Bewusstseins gezogen hatte. Er verscheuchte diese irrationale Empfindung und sagte mit fester Stimme:
    »Okay, teilen wir uns die Arbeit. Ich fahre zur Pfarrei Saint-Thomas-d’Aquin und spreche mit dem Pfarrer. Ich habe den Eindruck, dass er mir etwas zu sagen hat.«
    Volokine nahm ein zweites Croissant:
    »Ich schaue mich mal in Notre-Dame-de-Lorette im 9. Arrondissement um. Bevor ich heute Morgen hergekommen bin, habe ich mir die Listen der Sänger aller vier Chöre beschafft. Anschließend habe ich die Akten vom Jugendschutzdezernat über straffällige Kinder eingesehen. Wenn die Morde tatsächlich von Kindern begangen worden sind, gibt es vielleicht Vorstrafen, die darauf hindeuten.«
    »Für die Chöre von Saint-Jean-Baptiste und Notre-Dame-du-Rosaire habe ich das bereits überprüft.«
    »Ich hab die beiden

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