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Choral des Todes

Titel: Choral des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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klar, dass jeder der beiden Brüder auf jede Frage antworten würde. Er zog sein Notizbuch heraus und setzte seine Brille auf:
    »Ich würde gern Ihre persönliche Meinung wissen. Was haben Sie gedacht, als Sie von dem Mord an Götz erfuhren?«
    »Ich habe gedacht, dass es sich um einen Irrtum handelt«, sagte der Kleine. »Dass man ihn mit jemand anders verwechselt hat.«
    »Oder aber«, meinte der Große, »es war ein Zufall.«
    »Ein Zufall?«
    »Götz wurde von einem Geisteskranken umgebracht, der wahllos zuschlug.«
    »Hatte er sich Ihrer Meinung nach nichts vorzuwerfen? Könnte er Feinde gehabt haben?«
    Grauhaar erwiderte bedächtig:
    »Götz war ein alter Mann, der glückliche Jahre im Dienste des Herrn verbracht hat. Unauffällig, heiter, menschlich. Nach seinen schrecklichen Erfahrungen in Chile hatte er seinen Ruhestand wohl verdient.«
    »Wussten Sie, dass er homosexuell war?«
    »Ja, wir haben es von Anfang an gewusst.«
    Nur in der Kirche Saint-Jean-Baptiste hatte niemand etwas von dem Lebenswandel des Organisten geahnt.
    »Wieso?«
    »Eine Ahnung. Für Frauen gab es in seiner Welt keinen Platz.«
    »Es gab eine unsichtbare Mauer«, erklärte Santo. »Eine Mauer, die die Frauen fernhielt und ihn in gewisser Weise schützte. Seine Welt war eine Welt von Männern.«
    Kasdan betrachtete den kleinen Paolini:
    »Am Telefon haben Sie mir gesagt, Götz habe Angst gehabt. Hat er mit Ihnen darüber gesprochen?«
    »Nein.«
    »Was hat Sie dann zu dieser Bemerkung veranlasst?«
    »Er wirkte nervös, unruhig. Das ist alles.«
    Santo ergänzte in lebhaftem Tonfall:
    »Einmal hat er uns gefragt, ob sich jemand bei uns nach ihm erkundigt habe.«
    »Wer?«
    »Das hat er nicht gesagt.«
    »Fühlte er sich denn überwacht?«
    »Schwer zu sagen«, meinte Grauhaar. »Er kam, um Orgel zu spielen und mit dem Chor zu proben. Dann fuhr er wieder nach Hause.«
    Der Armenier spürte, dass er mit diesem Gespann so nicht weiterkam.
    »Okay«, sagte er, »wie war sein Verhältnis zu den Kindern?«
    »Tadellos. Er war sehr geduldig.«
    »Götz war ein ausgezeichneter Pädagoge«, ergänzte Santo. »Er lebte für die Jungen. Er hatte immer jede Menge Projekte …«
    Kasdan wechselte das Thema:
    »In Wahrheit bin ich gekommen, um mit Ihnen über das Verschwinden von Hugo Monestier zu sprechen.«
    »Glauben Sie, dass es einen Zusammenhang zwischen diesem Verschwinden und dem Mord an Wilhelm gibt?«
    »Was glauben Sie?«
    »Keinen«, antwortete Grauhaar, »nicht den geringsten.«
    »Erzählen Sie mir etwas über diesen Vorfall.«
    »Wir wissen nichts. Hugo ist verschwunden, das ist alles. Es gab Ermittlungen, eine Plakatkampagne, Zeugenaufrufe. Das alles hat nichts gebracht.«
    »Denken Sie noch manchmal daran?«
    »Ja, jeden Tag.«
    »Wir beten für ihn«, ergänzte Santo.
    Die Gebrüder Pingpong begannen ihm auf die Nerven zu gehen. Kasdan fuhr fort:
    »Ich habe von einem weiteren Jungen gehört, der 2004 spurlos verschwunden ist und in einem Chor sang, der ebenfalls von Götz geleitet wurde.«
    »Wir haben auch davon gehört. Wir wurden von Polizisten dazu vernommen. Sie schienen Wilhelm zu verdächtigen. Aber wissen Sie, wie viele Minderjährige jedes Jahr verschwinden?«
    »Fast sechshundert. Das ist mein Fachgebiet.«
    »Dann könnte es sich doch um ein zufälliges Zusammentreffen handeln, oder?«
    Das hier war reine Zeitverschwendung. Kasdan dachte an Volokine, der zur gleichen Zeit einen straffälligen Heranwachsenden befragte, um herauszufinden, ob er nicht aus religiösen Gründen mordete und seine Opfer entstellte. Eine weitere falsche Fährte.
    »Ich möchte Sie etwas fragen …«, fuhr Grauhaar fort, »was die Ermordung von Wilhelm betrifft. Gibt es weitere Morde, die damit in Verbindung stehen?«
    Kasdan zögerte. Es gab keinen Grund, auf die Frage zu antworten. Dennoch nickte er. Der Mann fuhr fort:
    »Könnte das nicht das Werk eines Serienmörders sein?«
    »Eines Serienmörders?«
    »Wir interessieren uns für Serienmörder«, erklärte Santo. »Wir möchten ihr Geheimnis ergründen.«
    Sieh an, dachte Kasdan. In geduldigem Ton antwortete er:
    »Recht ungewöhnlich für Priester, oder?«
    »Im Gegenteil. Diese Menschen sind am weitesten von Gott entfernt. Daher müssen sie als Erste gerettet werden. Wir haben mehrere Serienmörder im Gefängnis besucht …«
    »Glückwunsch. Aber hier haben wir es mit keinem Serienmörder zu tun.«
    »Sind Sie sicher? Gibt es Unterschiede zwischen den Morden?«
    Der Armenier antwortete

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