Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Choral des Todes

Titel: Choral des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
Vom Netzwerk:
war auf beiden Seiten von dichten Büschen und hundertjährigen Bäumen gesäumt.
    Volokine hielt immer noch sein Notizbuch in der Hand, in das er die persönlichen Daten von Peter Hansen, dem politischen Flüchtling und Jäger chilenischer Henker, aufgeschrieben hatte. Sie brauchten keine Worte zu wechseln: Ihnen blieb die ganze Nacht, um die politische Fährte aufzunehmen.

KAPITEL 34
    Eine halbe Stunde später fuhren die beiden durch die engen Straßen des 18. Arrondissement. Kasdan schwitzte Blut und Wasser bei dem Gedanken, er könne mit seinem Wagen eine Mauer streifen. Rue Riquet. Rue Pajol. Dann endlich links die Rue de la Guadeloupe. Immer noch goss es in Strömen, als würde aus der Trommel einer Waschmaschine Wasser auf die parkenden Autos prasseln.
    Peter Hansen wohnte in der Nummer 14, einem zeitlosen Gebäude, das wie ein verstaubter Karton zwischen anderen Häusern eingeklemmt war. Universalschlüssel. Nachdem sie ein paar Worte mit dem Hausmeister gewechselt hatten, machten sie sich auf den Weg in den fünften Stock. Es gab keinen Aufzug. Das Treppenhaus duftete zwar nach Bohnerwachs, doch das Licht funktionierte nicht. Sie stiegen im Dunkeln die Treppen hinauf, nur vom Licht der Straßenlaternen geleitet, das durch die Fenster an jedem Treppenabsatz sickerte.
    Im fünften Stock angekommen, machten sie die Wohnungstür Hansens ausfindig – sein Name war mit Filzstift auf eine Karte geschrieben. Kasdan setzte einen freundlichen Gesichtsausdruck auf. Der nette große Teddybär. Er klingelte. Keine Antwort. Er klingelte noch einmal. Wieder nichts. Ein kurzer Blick zu Volokine: Licht drang unter der Tür durch.
    Er klopfte kräftig an die Tür und rief:
    »Polizei. Öffnen Sie!«
    Der Russe brachte seine Glock in Anschlag. Der Armenier zog ebenfalls seine Pistole und stieß einen Fluch aus. Mit der Schulter stieß er gegen die Tür, um zu prüfen, ob sie verriegelt war. Sie war es nicht. Er nahm Anlauf, um die Tür einzutreten.
    In diesem Augenblick wurde sie geöffnet. Ein hochgewachsener schlanker Mann mit langem Haar und grauem Bart erschien auf der Schwelle.
    »Wer sind Sie?«, fragte er in aller Ruhe.
    Kasdan presste die Waffe an seinen Oberschenkel hinter seinem Hosenbein.
    »Wir sind von der Polizei«, sagte er mit sanfter Stimme. »Kommissar Kasdan und Hauptmann Volokine. Sie sind Peter Hansen, nicht wahr?«
    Der Mann nickte. Er hatte einen Holzlöffel in der Hand und trug eine beige Leinenschürze. Der Anblick der beiden Männer, die im hellen Licht der Diele nun deutlich zu erkennen waren, schien ihn nicht zu überraschen. Offenbar ein bedächtiger, selbstsicherer Mann. Ein alter Junggeselle, der gerade dabei war, nach südländischen Gepflogenheiten zu später Stunde sein Abendessen zuzubereiten.
    »Dürfen wir hereinkommen? Wir möchten Ihnen einige Fragen stellen.«
    »Kein Problem.«
    Der Schwede drehte sich um und bedeutete ihnen, ihm zu folgen. Die beiden Partner hielten diskret Abstand und gingen durch einen schmalen Flur bis zu einem winzigen Wohnzimmer. Ein durchgesessenes Sofa und zwei abgewetzte Sessel umrahmten einen schwarzen Überseekoffer, der als Tisch diente. An den Wänden hingen bunte Ponchos. Ledermasken, Lapislazuli-Gegenstände, Tonwaren, holzgeschnitzte Steigbügel und alte Navigationsinstrumente aus Kupfer vervollständigten die Ausstattung des Raumes. Kasdan nahm an, dass die Trödelläden von Santiago oder Valparaiso solchen alten Kram feilboten.
    »Ich habe nur ein paar Jahre in Chile gelebt«, bemerkte Hansen. »Die schlimmsten meines Lebens. Dennoch fühle ich mich dieser Kultur sehr verbunden.«
    Kasdan musterte den alten Mann mit dem unförmigen Pullover und den verwaschenen Jeans unter der Schürze. Er schien einer Protestkundgebung der siebziger Jahre entsprungen zu sein. Der Armenier fragte mit noch ruhigerer Stimme, bemüht, seinen üblichen Polizistenton zu kaschieren:
    »Wir haben mehrmals an die Tür geklopft. Warum haben Sie nicht geöffnet?«
    »Ich habe nichts gehört, entschuldigen Sie bitte. Ich war in der Küche.«
    Der Armenier warf Volokine einen Blick zu, der ebenfalls irritiert wirkte: Die Wohnung konnte nicht größer als sechzig Quadratmeter sein. Doch sie hakten nicht nach. Hansen wies mit der Hand auf die Sitzgelegenheiten des Wohnzimmers:
    »Bitte, setzen Sie sich. Möchten Sie Wein? Oder lieber Matetee?«
    »Ein Glas Wein. Wunderbar.«
    »Ich habe einen köstlichen Rotwein aus Chile. Vino tinto .«
    Der Mann sprach mit einem merkwürdigen,

Weitere Kostenlose Bücher