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Choral des Todes

Titel: Choral des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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hat?«
    »Ich höre.«
    »Eisenpartikel. Schwarzes Eisen. Vermutlich ein Messer. Ein ziemlich altes Messer. Ein Instrument, das frühestens aus dem 19. Jahrhundert stammt. Wir haben auch Knochenspuren.«
    »Knochenspuren?«
    »Ja. Von einem Yak. Sicher Spuren des Futterals der Waffe. Ich habe einige Telefonate geführt. Bei der verwendeten Waffe könnte es sich um ein aus Tibet stammendes Ritualmesser handeln. Eine Art Talisman, der die Gespenster und die Schrecken der Nacht vertreiben soll. Kurzum, noch so eine mysteriöse Sache.«
    Kasdan versuchte nachzudenken, aber aufgrund seiner Müdigkeit konnte er keinen klaren Gedanken fassen. Im Übrigen machte dieser neue Befund das Maß voll. Zu viele seltsame Untersuchungsergebnisse, die nicht zusammenpassten.
    Er verabschiedete sich vom Gerichtsmediziner, ging zurück ins Wohnzimmer und verschloss sich jeglichem tieferen Nachdenken über all diese Erkenntnisse. Mit einem Becher Kaffee setzte er sich in seinen Sessel neben einem der Dachfenster, die auf die Kirche Saint-Ambroise gingen.
    Dort grübelte er über andere Folterungen nach, andere Gräuel, die ihm jedoch vertraut waren. Vielleicht würde er von Albträumen heimgesucht werden, aber es wären immerhin seine eigenen .
    Vor seinen Augen stieg ein dichter Wald auf, in dem sich ein Lateritweg abzeichnete.
    Er machte es sich in seinem Ledersessel bequem und brach Richtung Kamerun auf.
    Zu jener Urszene, die alles erklärte.

KAPITEL 37
    Die ganze Nacht an der Strippe.
    Volokine war zunächst in die Rue Gazan 15–17 zurückgekehrt und hatte das Musikzimmer von Götz durchsucht. Bis er das Musikarchiv des Chilenen aufgestöbert hatte. Ein eigenartiges Archiv: Es enthielt keine Liste der Chöre, sondern einer Reihe von Werken, die Götz dirigiert hatte. In derselben Zeile stand neben dem Datum des Konzertes und der Anzahl der Sänger auch der Name der Kirche, in der die Aufführung stattgefunden hatte.
    Eine Motette von Duruflé war 1997 in Notre-Dame-des-Champs aufgeführt worden. Ein Ave Verum von Poulenc im Jahre 2000 in der Kirche Sainte-Thérèse. Das Adagio von Barber 1995 in Notre-Dame-du-Rosaire. Die Liste war lang. Götz hatte auch mehrere Plattenaufnahmen gemacht. Das Miserere im Jahre 1989, Berlioz’ Enfance du Christ 1992.
    Mist. Er kannte diese Werke, und allein beim Gedanken daran bekam er das große Kotzen. Er hatte sich auf die Namen und Daten konzentriert und die Musik ausgeblendet, die in seinem Kopf widerhallte. Insgesamt hatte Götz in etwas weniger als zwanzig Jahren acht verschiedene Chöre dirigiert, jedes Mal sechs oder sieben Jahre lang.
    Volokine hatte die Namen der Pfarreien in sein Notizbuch geschrieben, darunter die vier, die er kannte. Dann hatte er die Pfarrhäuser nacheinander angerufen.
    Von den acht war bei sieben jemand an die Strippe gegangen. Priester oder verschlafene Küster, die nicht begriffen, worum es ging. Volokine warnte sie: Sie sollten sich mit ihrem Archiv bereithalten, weil er selbst vorbeikäme, und zwar nicht zum Spaß. Er arbeite an der Aufklärung dreier Morde.
    Er durchquerte Paris in Kasdans Wagen. Stürzte in die Sakristei. Studierte das Chorarchiv. Im Allgemeinen war ordentlich Buch geführt worden, und er fand problemlos die Liste der Knaben, die unter Götz’ Leitung gesungen hatten, sowie die Adressen ihrer Eltern.
    Dann telefonierte er. Mitten in der Nacht. Vollkommen illegal. Er war nicht berechtigt, diese Ermittlungen durchzuführen. Noch weniger, den Leuten mitten in der Nacht, im Morgengrauen des 24. Dezember, auf den Wecker zu fallen. Aber alles hing von seiner Überzeugungskraft im Augenblick der Kontaktaufnahme ab.
    Es lief etwa folgendermaßen:
    »Hier Polizeihauptmann Cédric Volokine, Jugendschutzdezernat.«
    »Wie bitte?«
    »Polizei, Monsieur. Wachen Sie bitte auf.«
    »Soll das ein Scherz sein?«
    Näselnde Stimme, schwere Zunge. Volokine kam direkt zur Sache:
    »Soll ich Ihnen die Kennnummer meines Dienstausweises nennen?«
    »Aber es ist doch mitten in der Nacht!«
    »Hat Ihr Sohn 1995 im Chor von Notre-Dame-du-Rosaire gesungen?«
    »Aber … ja. Ich glaube, ja … Warum?«
    »Wohnt er noch bei Ihnen?«
    »Hm … nein. Ich verstehe nicht …«
    »Können Sie mir bitte seine neue Adresse und Telefonnummer durchgeben?«
    »Was ist denn los?«
    »Machen Sie sich keine Sorgen. Es gibt einfach nur ein Problem mit dem damaligen Chorleiter.«
    »Was für ein Problem?«
    »Er ist ermordet worden.«
    »Aber mein Sohn …«
    An dieser Stelle schlug

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