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Choral des Todes

Titel: Choral des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Nachrichten mit Genugtuung. Kein Wort über den Mord an Götz. Auch nicht über den an Naseer. Im Augenblick konzentrierten sich die Medien auf die Vergangenheit von Pater Olivier alias Alain Manoury, der 2000 und 2003 wegen sexueller Belästigung angezeigt worden war. Rasch hatten die Journalisten die Vergehen des Priesters aufgedeckt. Genauer gesagt: Volokine selbst hatte ihnen per Telefon den Ball zugeworfen – anonym, versteht sich. Er hatte es vorgezogen, sie auf eine falsche Fährte zu locken, damit sie ihm nicht in die Quere kamen. Inzwischen war der Russe überzeugt, dass es bei dem Fall nicht um Pädophilie ging. Jedenfalls nicht im klassischen Sinne.
    Die Angaben von Régis Mazoyer waren sonnenklar. Die Ausfahrt Porte de Gennevilliers nehmen, sich dann an einen hohen Schornstein halten, den man nicht aus dem Blick verlieren konnte. Die Werkstatt des Mechanikers befand sich nahe der Siedlung Calder, die zu Füßen des Schornsteins lag.
    Natürlich war Kasdans Wagen weder mit einem Navigationssystem noch mit einer anderen modernen Technologie ausgestattet. Binnen kurzer Zeit entwickelte der Russe wieder die alten Reflexe, die man brauchte, um Autos aus den achtziger Jahren sicher zu bedienen. Empfindsamkeit des Gaspedals. Surren des Motors. Leder- und Fettgeruch im Fahrgastraum. Er empfand eine gewisse Zuneigung für diese alte, empfindliche Klapperkiste. Sie hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit ihrem Besitzer.
    Porte de Gennevilliers. Er fuhr von der Autobahn ab. Tauchte in die Banlieue ein. Aufgrund ihrer Hässlichkeit eine verstörende Landschaft. Eine ununterbrochene Folge von Siedlungen und Fabriken. Graue und schlammfarbene Häuserblocks. Eine der Erde entsprungene Welt, die deren Schlacken aufbewahrte. Hier und da tauchten kleine blutende Wunden auf: Ziegelsteinfassaden. Rote Inschriften: CASINO , SHOPPING . Dann gewann wieder das eintönige Grau die Oberhand.
    Er fand die Rue des Fontaines. Eine dieser Geschäftsstraßen, die am Fuß der Siedlungen aus dem Boden schießen und in denen Läden und Kneipen dicht an dicht stehen. Der Vorplatz mit dem Gebäudekomplex überragte die Straße, die wie ein Burggraben zu Füßen einer Betonfestung wirkte. Volokine entdeckte eine Bäckerei, die gerade öffnete – es war sieben Uhr –, und entschied sich erneut für Croissants. Er hatte die, die er in Paris gekauft hatte, bereits gegessen.
    Er lief die Straße entlang und fand Mazoyers Werkstatt. In Wirklichkeit waren es mehrere Autoboxen, die zu einer Werkstatt umfunktioniert worden waren. Der Automechaniker hatte das Eisengitter noch nicht hochgezogen, aber unter der Tür drang Licht durch.
    Volokine klopfte an das Metallgitter. Er war frisch gewaschen und rasiert. Bevor er Paris verließ, hatte er ein öffentliches Bad aufgesucht. Eine Einrichtung, die von den Clochards genutzt wurde, die den Schein wahren wollten.
    War er mehr wert als diese? Eins war sicher: Er würde nicht in seine Bude in der Rue Amelot zurückkehren. Zu viele Erinnerungen, zu viele Wahnvorstellungen erwarteten ihn dort. Die Wände bargen, wie eine balinesische Bühne, noch das Schattenspiel seiner alten Shoots. Und damit die Verlockung, wieder zum Gift zu greifen.
    Er klopfte noch einmal. Unter der Dusche hatte er sich vor allem von seinem Albtraum reinwaschen wollen. Von der Halluzination, die er in der Kirche gehabt hatte. War er eingeschlafen? Hatte er geträumt?
    Endlich wurde das Eisengitter hochgezogen.
    Régis Mazoyer war einen Meter neunzig groß und trug einen Blaumann und darunter ein Sweatshirt. Ein breitschultriger Bursche mit lockigem schwarzem Haar, das wie Seide glänzte. Statt ihn zu begrüßen, strahlte er ihn mit einem breiten Lächeln an, das frische jugendliche Kraft verriet.
    »Haben Sie die Croissants mitgebracht? Cool. Treten Sie ein. Ich mache Kaffee.«
    Volokine schlüpfte durch das halb hochgezogene Gitter und fand sich in einer altmodischen Werkstatt wieder. In der Mitte eine Grube, Reifen, Werkzeuge und Oldtimermodelle, die für Liliputaner bestimmt zu sein schienen. Fiat 500, Mini Rover, Austin.
    »Das ist das Einzige, was im Augenblick geht«, rief Mazoyer durch die Werkstatt. »Die Pariser lieben Kleinwagen. Sie sind verrückt danach!«
    Der Automechaniker säuberte sich die Hände in einem Eimer Sand. Die beste Methode, um das Fett zu entfernen. Volokine erinnerte sich daran: Diesen Trick hatte er angewandt, wenn er mit seinen Dealerkumpels gestohlene Karren aufpolierte.
    Die Kaffeemaschine, die zwischen

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