Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)
Heroin will sie nie wieder etwas wissen, sagt sie.
Aber sie sagt auch: „Ich habe eine Zeit lang auch wieder mit Valium getörnt.“ Mit ihrer neuen Clique trinkt sie regelmäßig Rotwein und raucht Hasch. Zurück in ihr altes Leben scheint es nicht weit. Schafft sie es oder schafft sie es nicht – die Frage bleibt offen.
Dieses offene Ende, die Tatsache, dass man die Fortführung der Geschichte dieses Mädchens nun als Öffentlichkeit miterleben konnte, machte die Magazinserie im Stern im Herbst 1978 unter anderem zum Erfolg. Wie geht es ihr heute? Wird sie es schaffen? Die Geschichte von Christiane F. wirkte faszinierend und abschreckend zugleich.
Gerade Jugendliche waren von der Antiheldin fasziniert – und eiferten ihrem Idol dann möglicherweise sogar nach, wie Kritiker befürchteten. Der Stern ließ es sich dann 200.000 Mark kosten, der Kritik entgegenzuwirken, und erstellte ein pädagogisches Begleitbuch, das mit einer Auflage von 60.000 Exemplaren kostenlos verteilt wurde, vorwiegend an Schulen.
Es war ein unerhörter Erfolg, mit dem niemand gerechnet hatte. Im Gegenteil: Von den etablierten Buchverlagen in Deutschland hatte keiner das Buch publizieren wollen, Kinderprostitution und Heroinsucht seien Randgruppenthemen, urteilten viele Lektoren. „Wir sind mit dem Manuskript hausieren gegangen, ein großer Verlag hat es abgelehnt als unverkäuflich“, erinnerte sich Autor Kai Herrmann 1981. „Ein anderer Verlag hat uns den Ratschlag gegeben, daraus so eine Art Case Study zu machen, ein Fachbuch mit wissenschaftlichem Anhang.“
Die Ablehnung war für die damals 16-jährige Christiane Felscherinow ein Grund, nicht weiter mit Kai Herrmann und Horst Rieck zusammenarbeiten zu wollen: „Ich war wahnsinnig deprimiert und dachte, die beiden stehlen mir echt nur meine Zeit. Das will keiner hören und erst recht nicht lesen.“
Doch als die Reportagereihe im Stern erschien, änderte sich das. Erstmals wurde einer größeren Öffentlichkeit die Realität der Drogenszene bewusst. Das mediale Echo war gewaltig, woraufhin man sich beim Stern entschied, „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ unter der Herausgeberschaft von Henri Nannen und mit einer Startauflage von 5.000 Büchern selbst zu verlegen. Schon bald kam der Verlag mit dem Druck kaum mehr nach.
„Wir hatten wochenlang Lieferschwierigkeiten, weil der Verlag die Auflage viel zu niedrig angesetzt hatte und nun erst neue Bücher gedruckt werden mussten, um die Nachfrage zu stillen“, erinnert sich Christiane heute.
Im selben Jahr schmiedete Bernd Eichinger einen radikalen Plan zum Wiederaufbau des 1977 in Konkurs gegangenen Unternehmens Constantin Film. Er war damals 29 Jahre jung, hatte gerade die Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) in München absolviert und hielt sich für ein Filmgenie, das seinen 40. Geburtstag nicht erleben, sondern in jungen Jahren schon auf tragische Weise sterben würde, so wie es vielen großen Künstlern passiert war.
Eichinger legte schon damals keinen Wert mehr auf Filmfestspiele, wie zum Beispiel die von Cannes. Er hielt die dort versammelten Filmleute für eine spießige Handelsvertretergemeinschaft ohne Charme und Kreativität und sah insbesondere den deutschen Film in einer tiefen Krise: Es mangele an Kreativität und Freigeist, und im Wettbewerb um Fördergelder und Verleiher strebe man allzu sehr nur die positive Wertung der Gremien und der Kritiker an statt die Euphorie des Publikums.
Den einzigen Weg aus dieser Krise sah Bernd Eichinger im Aufbau eines autarken, in sich geschlossenen und damit weitgehend unabhängigen Filmindustriesystems, also einer Firma, die Verleih und Produktion in einem war. In dem 1950 vom deutschen Filmkaufmann Waldfried Barthel gegründeten Unternehmen Constantin sah er die einzige Institution, mit der sich ein solches Konzept realisieren ließ.
Und Ludwig Eckes, damaliger Eigner und ein bekannter Schnapsfabrikant, hatte mit der Firma nicht mehr viel zu verlieren. Also verkaufte er Eichinger im Jahr 1978 für anderthalb Millionen Mark 25 Prozent der Neuen Constantin und machte den jungen HFF-Absolventen zu seinem Co-Geschäftsführer.
Eichinger wollte Filme auf die Leinwand bringen, die polarisieren und provozieren sollten, Geschichten, die das Lebensgefühl der jungen Generation widerspiegelten und schlicht ein großes Kino boten. Und da gab es nun diese Christiane F.
In ihrer Geschichte sah Eichinger tief bewegendes Filmmaterial, und so machte er sich
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