Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)
kam, weil ich versucht habe, die Leere zu betäuben, vor der ich zu dieser Zeit solche Angst hatte.
Alex war 17. Er war erfolgreich, in vielen Ländern unterwegs. Die Frauen standen Schlange für ihn. Er war nun ein Star, begehrt, jung. Er sollte sich ausprobieren, und ich konnte ihn nicht halten, das wusste ich.
Eines Nachts kam ich viel später als er nach Hause. Überall war schon das Licht aus, und ich wusste, er war schon im Bett. Also ging ich noch ins Bad, setzte mir einen Schuss für die Nacht und legte mich neben ihn. Am nächsten Morgen sagte er mir, dass er mich noch gefragt hätte, wo ich gewesen sei, dass er sich Sorgen gemacht habe. Ich hatte ihm keine Antwort mehr geben können, in meinem Tran habe ich gar nicht gemerkt, dass er mit mir sprach. Wie ein Zombie muss ich ins Schlafzimmer gekommen sein, Augen auf, aber im Geiste weg, so ist es ja meistens. Ich sagte dazu nichts.
„Sag mal, Christiane, wie viel verfixt du inzwischen eigentlich wieder?“, fragte er mich ein paar Tage später. Seine Stimme zitterte. „Ich habe es im Griff“, antwortete ich so unbeteiligt wie möglich und nahm einen Schluck von meinem Kakao. Da brach die Verzweiflung aus ihm heraus: Er trat gegen meine beiden Säcke Hundefutter, die insgesamt 40 Kilo Trockennahrung lagen dann in der gesamten Wohnung auf dem Boden verteilt. Alex setzte sich völlig fertig auf das Sofa, starrte müde und traurig in den Raum. Ich sah ihn an: Er war ein Teenie, völlig unbedarft im Gegensatz zu mir. Da wusste ich, dass ich ihm seine Jugend kaputtmachen würde.
Weil ich ihn nun einmal liebte, konnte ich nicht einfach gehen. Wir nahmen weiter zusammen Musik auf und waren auch noch gemeinsam in den USA. Die Neubauten bekamen eine Tour in Amerika, da wollte ich natürlich dabei sein. Vielleicht hatte ich auch noch ein bisschen die Hoffnung, die Beziehung retten zu können. Aber alles endete im Desaster und damit, dass ich nun auch das erste Mal Opium rauchte.
Ich habe viele schlimme kalte Entzüge durchgemacht, aber bei dieser USA-Reise vermutlich den schlimmsten. Als ich in Deutschland in den Flieger stieg, war ich auf täglich bis zu 60 Tabletten und vier Gramm Heroin. Unglaublich, da sterben andere von. Ich habe wirklich keine Ahnung, wie ich das überlebt habe. Rohypnol warf ich mir wie Smarties ein, außerdem Mandrax, Stadas, also ganz normales Valium. Dieses lethargische Weggedämmertsein, das willst du. Aber für andere ist das schrecklich, das weiß ich heute.
Alex kam damit gar nicht klar. Was ich dem Mann zugemutet habe, tut mir heute sehr leid. Er hat mit mir geschimpft: „Du liegst nur noch rum, nein, du vegetierst vor dich hin. Du bist nicht einmal ansprechbar!“
Und ich wollte ja los von dem Zeug. Um mich runterzubringen, holte ich mir auf dem Schwarzmarkt Codein, damit hat man damals entzogen. Es gab ja noch keine Substitution, es gab nur Schmerzmittel, die den Entzug erträglicher machen sollten. Am Ende war ich süchtig von allem.
In die USA nahm ich mir noch fünf Gramm Heroin mit, aber die waren schon nach zwei Tagen verbraucht. Auf solchen Flügen war mein Haardutt mein Versteck für die vorbereiteten Spritzen. Damals hatte ich noch so dickes Haar, da brachte ich locker zwei Spritzen unter. Der Vorteil war, dass du dir das schnell injizieren konntest, wenn mal etwas Unvorhergesehenes passierte.
Ich war allein vorgeflogen, um ein paar Tage für mich und den Turkey zu haben, denn ich hatte mir fest vorgenommen, erst mal klarzukommen und dann alles besser zu machen, für Alex, für mich, für uns. Es kam anders.
Ich wohnte bei Rick und seiner Freundin, und meine guten Vorsätze waren schnell verflogen. In unmittelbarer Nachbarschaft lebte Hector Coggins, ein extrem gut aussehender Installationskünstler: dunkelhaarig, jungenhaftes Gesicht, breites Kreuz, Brille. Als ich ihn das erste Mal sah, trug er nur eine Jeans und war voller Öl und Schweiß, weil er in seiner Garage an einer seiner Arbeiten tüftelte.
Dieses Schmutzige hat mich direkt total angemacht.
Das Tor stand offen, und weil ich das alles so reizend fand, was ich da sah, ging ich einfach rein. Hector war echt nett und versuchte, mir seine Kunst zu erklären. „My work represents destruction, pain and death – meine Arbeit zeigt Zerstörung, Schmerz und Tod“, sagte er mir, und ich muss wohl nicht betonen, dass wir da sofort eine gemeinsame Ebene hatten. Seine Installationen, ergänzte er, stünden für den Drang vieler Menschen, sich durch Dinge,
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