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Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Titel: Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane V. Felscherinow , Sonja Vukovic
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seine Lieferung nach oben bringen, dann ging er wieder mit einem genuschelten „Tschüss“. Und ich versuchte, ihn zu vergessen.
    Ich konnte mir denken, was in dem unheimlichen Paket war. Meine Ahnung wurde eines Tages Gewissheit, als ich mal wieder bei Miriam und Guido zu Besuch war und in die Küche trat. Da saß Guido am Tisch, vor ihm ein aufgefaltetes Blättchen aus silbernem Papier, so wie das, aus dem Kaffeeverpackungen gefertigt sind. Ein sogenanntes Paper. Guido kratzte braunes Pulver daraus. Er habe nicht gewusst, dass dieser farbige Kerl, den er nur um drei Ecken kenne, Heroin gemeint habe, als er darum bat, ihren Dachboden als Bunker nutzen zu dürfen. Jetzt sei der Typ verhaftet worden, und da wollten Miriam und er in aller Vorsicht einmal nachsehen, welche Ware sie da oben unterm Dach gelagert hatten. Dann hätte sie der Schlag getroffen. Mit Heroin wollten die beiden nichts zu tun haben. Auch jetzt, wo es kiloweise umsonst bei ihnen gelandet war, wollten sie es nicht verkaufen. Aber in den Müll kann man so etwas ja auch nicht werfen, also stellten sie es erst einmal wieder zurück auf den Dachboden.
    Neben der WG in Hamburg, wo wir meist nur noch wegen der Musik waren, hatten Alexander Hacke und ich jetzt auch wieder eine winzige Wohnung in Kreuzberg nur für uns zwei. So sind wir viel gependelt, aber im Grunde war ich sehr oft allein. Die Jungs, auch Klaus Maeck und die anderen aus der WG, waren einfach viel unterwegs. Irgendwann hielt ich mich also wieder ein paar Tage bei Guido und Miriam auf, die tagsüber zur Arbeit waren, sie verdienten auch als Musiker, so kamen sie überhaupt erst in die Szene.
    Irgendwie, ich weiß auch nicht warum, ging ich auf den Dachboden. Ich kann wirklich nicht erklären, was mich da getrieben hat.
    Es war, als ob mein Unterbewusstsein die Gelegenheit nutzen wollte, um den Druck abzubauen, den ich die ganzen Wochen seit meiner Begegnung mit dem Fremden gespürt hatte.
    Erst versuchte ich noch, mich selbst zu verarschen. Ich las die Bild-Zeitung, die auf dem Küchentisch lag, tönte mir die Haare braunrot, weil ich am Abend wieder nach Berlin zu Alexander fahren und schön für ihn aussehen wollte. Irgendwie konnte ich mich nicht entscheiden, was ich tun sollte. Die eine Seite in mir wollte unbedingt mal wieder einen Turn, die andere wusste genau, was das alles für Schmerzen und Scheiße nach sich ziehen würde. Naja, was soll ich sagen? Nach einer Weile ging ich nach oben und steckte mir einfach ein paar Gramm ein. Zu dem Zeitpunkt war ich seit fünf Jahren clean.
    Aber ich habe dieses Heroin lange nicht angerührt. Als ich zwei, drei Wochen später wieder bei Guido und Miriam war, steckte es immer noch in einem Seitenfach von meinem Portemonnaie. Ich kann nicht behaupten, dass ich Größe gezeigt und der Versuchung widerstanden hätte, nein, ich hatte einfach nicht mehr daran gedacht. Mein Hund Igor hatte mich in Beschlag genommen, der tolle große Chow-Chow, den Kai Hermann mir einst geschenkt hatte, als ich nach Hamburg gezogen war.
    Igor und ich, das war Liebe auf den ersten Blick, und so bettelte ich Kai immer wieder an, mir das Tier zu überlassen. Aber Kai wollte ihn mir nicht geben, was ich ihm ja auch nicht wirklich verübeln konnte. Trotzdem habe ich es immer wieder versucht, wenn ich die Hermanns auf ihrem Bauernhof in Lüchow-Dannenberg besuchte. Und eines Tages, ich war ganz neu in Hamburg, haben seine Frau und er dann tatsächlich nachgegeben: „Damit du in deiner neuen Heimat nicht so einsam bist.“ Das war eines der größten Geschenke, die ich je bekommen habe.
    Tiere waren schon immer meine Ersatzfamilie, das fing schon mit der braunen Dogge Ajax an, mit der „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ beginnt. Jetzt hatte ich also Igor, und der Arme litt unter einer geschwollenen Prostata und wahnsinnigen Schmerzen. So war ich eine Weile abgelenkt von meinen eigenen Schwächen.
    Als ich nun zwei, drei Wochen später wieder bei Miriam und Guido in Hamburg war und in die Küche kam, lag zum ersten Mal nach all den Jahren ein halbes Gramm Braunes auf dem Küchentisch. Sie hatten das Heroin in die Spüle gekippt, aber es blieb ein Rest in den Papers und den hatten sie rausgekratzt – zum Eigengebrauch. „Naja, so ein bisschen was sollten wir schon davon haben“, meinte Guido und mischte weißes Kokain mit dem Braunen zum Schupfen durch die Nase.
    Er fing an, dann machte Miriam es ihm nach, und ich überlegte keine Sekunde mehr, ob ich sollte oder nicht.
    Ich

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