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Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Titel: Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane V. Felscherinow , Sonja Vukovic
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vielleicht war es ihr zu viel geworden.
    Ich wohnte dann in der Wohnung eines Bekannten von Anna. Daniel wusste dann gar nicht, dass ich in der Schweiz war. Aber nachdem ich das einmal gemacht hatte, wusste ich: Da will ich nicht mehr bleiben. Sie haben schon genug um die Ohren und brauchen nicht noch mich, Christiane F. Auch wenn Anna es nie gesagt hätte. Ich war nur noch eine Last.
    Dann hat mich die Polizei in Berlin mit fünf Gramm Heroin erwischt und eingebuchtet. Angeblich ist das Haus des Typen, bei dem ich eingekauft hatte, observiert worden. Jedenfalls wurde ich kurz darauf verhaftet. Es ist unglaublich, wie die Bullen einen dabei zu Boden reißen. Ganz grob, total übel. Dabei sind die meisten Junkies nur Haut und Knochen.
    Wozu also diese Brutalität? Bei mir haben die nicht ganz so hart zugepackt, weil ich eine Frau bin und weil ich mich nicht gewehrt habe. Aber ich bin immer sauer, wie die Polizei mit Drogensüchtigen umgeht.
    Ebenso furchtbar sind diese „Gefangenen-Sammelstellen“, kurz GeSa. Dort gibt es ganz spärliche Zellen mit alten, verschimmelten Kacheln und diesen Holzbetten, die mit Eisenketten an der Wand befestigt sind. Es stinkt ganz fürchterlich nach ungewaschenen Menschen. So eine Hölle wie die GeSa hat echt kein Mensch verdient. Du kommst da rein, kriegst deine Matratze runtergelassen und bekommst eine Pferdedecke, von der du nicht weißt, wann sie das letzte Mal gewaschen wurde.
    Dann ist da so ein Abfluss hinten in der Sammelzelle, weil ja nicht jeder Lust hat, in einen Becher zu pissen. Es stinkt also alles nach Urin. Ich habe mir alles abgeklemmt und auf das Verhör gewartet.
    Der Obermacker vom Rauschgiftdezernat damals hieß Herr Brecht. Dieser Typ hatte noch Bekanntschaft mit meinem Vater gemacht, als sie mich das erste Mal festgenommen und befragt hatten. Da war ich dreizehn, daher die Befragung unrechtmäßig, weil ich ja noch unmündig war und ein Erziehungsberechtigter hätte dabei sein müssen.
    Sie griffen mich nachts auf der Straße auf. Ich hatte ein paar Trips und Hasch dabei, da ließen sie mich in einen Becher pinkeln. Damals reichte noch eine positiv getestete Urinprobe, um verhaftet zu werden. Also hielten sie mich fest und dachten wohl: Prima! Die Kleine können wir so richtig ausquetschen.
    Sie fütterten mich mit Kakao und Kuchen und taten so, als ob sie selbst zur Szene gehörten. Sie gaben mir also das Gefühl, dass sie ganz genau wissen, was Sache ist. Dann kamen sie mit einer großen Akte aus so einer alten Langschublade und zeigten mir Bilder. Damals war ich noch auf der Suche nach Zugehörigkeit und echt beeindruckt von diesen Männern. Natürlich habe ich alles verpfiffen, was ging.
    Dann kam mein Vater reingestürzt. Kein Hallo, kein gar nichts. Er hat nur gesagt, dass er mich abholen will und dass alles, was ich ausgesagt habe, nichtig ist. So war es auch, das wurde alles gelöscht. Immerhin: Dafür danke ich meinem Vater bis heute, dass er so etwas machte. Dass er in solchen Situationen nicht auf ein „Herein“ wartete, sondern gleich hereinstampfte.
    Als ich nun mehr als zehn Jahre später wieder da in diesem Dezernat saß, kam mich niemand holen. Aber ich hatte inzwischen gelernt, die Wahrheit so hinzubiegen, dass es für mich von Vorteil war. Der Polizei erzählte ich also, ich hätte nichts verkaufen wollen, sondern lediglich zum Eigengebrauch einen Bunker ausgeräumt. Ich hätte zwei Araber in der Hasenheide beobachtet und deren Lager ausgeraubt, als sie weg waren.
    Das hatte ich tatsächlich schon einmal vorher getan, aber dieses Mal stimmte es nicht. Ich hoffte, auf diese Weise nur wegen des Besitzes von Drogen angezeigt zu werden, nicht wegen des Verkaufs. Aber mein Anwalt hat damals einen Fehler gemacht. Er hätte wissen müssen, dass unten schon der Dealer saß, bereit zur Aussage gegen mich.
    Also musste ich vor Gericht und kam erst einmal wieder in diese ekelhafte GeSa in der Gothaerstraße. Und am nächsten Morgen kommt dieser Brecht und sagt: „Na, wie geht es deinem Vater, dem Eierkopf?“ Das werde ich nie vergessen. Der kam in die Zelle, hockt sich vor meine Liege auf den Boden und sagt: „So, Christiane, was machen wir denn nun? Du fährst jetzt ein.“
    Ich: „Na dann los. Wenn Sie das so wollen?“
    Er: „Es wird Zeit. Sonst lernst du es nie. So Kleinkriminelle wie du halten sich immer für die Größten. Im Bau sieht die Realität anders aus, meine Liebe.“ Ich sagte dann nichts mehr.
    Ich bekam einen kurzen Prozess.

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