Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)
Klar, denn es war nicht mein erster in diesem Jahr. Es war September 1985. Im Mai desselben Jahres war ich bereits mit Drogen erwischt und zu 3.000 Mark Strafe verurteilt worden.
Jetzt stand ich wieder hier und dachte nur: „Oh man ey, haben die keine Lust, sich mit richtigen Kriminellen zu beschäftigen? Ich bin jetzt schon zum zweiten Mal in diesem Jahr hier, dabei bin ich doch nur ein Junkie. Was soll denn der Aufriss!“
Und mit dieser Haltung trat ich auch vor Gericht auf. Ich war gekleidet wie der sechste Rolling Stone, wie eine Rockerbraut mit aufgerissenen Jeans und einer weißen Lederjacke mit Fransen. Heute weiß ich, wie unvorteilhaft das war. Ja, also ist doch klar, dass ich in den Knast ging, so wie ich aussah.
Nach wenigen Stunden gab es das Urteil. Als ich aus dem Mund des Richters hörte, dass ich für ein Jahr in den Knast muss, sackte ich sofort auf meinen Stuhl zurück, ohne zu warten, bis alle sich hinsetzten. Ich dachte: „Das darf doch nicht wahr sein! Wer zum Teufel nimmt denn bitteschön Schaden an meiner Sucht außer mir? Was zum Teufel wollen die von mir?“
Dann schlug mir der Richter noch eine Alternative vor. Immerhin. Ich hätte eine Therapie machen können. Aber ich lasse mich nicht erpressen: Entweder Knast oder Therapie! So etwas läuft nicht mit mir. Also haben sie mich ins Gefängnis geschickt. Ende.
Als Anna von all dem erfuhr, drehte sie richtig durch. So etwas habe ich noch nicht erlebt: Sie kam sofort aus der Schweiz angeflogen und war völlig außer sich. Ich war inzwischen in die JVA Moabit verlegt worden. Anna besuchte mich und versprach, dass sie mich rausholen würde. Und tatsächlich: Zwei Tage später kommen die Wärter und lassen mich frei.
Anna hatte es geschafft, mich für umgerechnet 15.000 Franken aus dem Knast zu kaufen – mit der Versicherung, dass sie mich in ihre Obhut nehmen wird und dass ich bis zum Antritt der Haftstrafe eine Therapie in Zürich mache. Drei Monate später, am 2. Januar 1986, sollte ich in die Haft zurückkehren, bis dahin durfte ich Berlin nicht mehr betreten.
Anna hat mich also wieder mitgenommen in die Schweiz. Und sie hat meinen Lügen geglaubt, dass die Anschuldigungen der Polizei falsch seien. Da sich auch ansonsten niemand um mich scherte, ließ ich kurzerhand meinen Freund Greg nachkommen, und wir waren dann die ganze Zeit high. Eine Therapie habe ich natürlich nicht gemacht.
Als ich mich dann im Januar stellen musste, holte die Polizei mich direkt aus dem Flieger. Was für ein Irrsinn, es war mir unglaublich unangenehm, denn alle Passagiere starrten mich an. Wie furchtbar peinlich! Ich sagte: „Was, bitte wie? Ich war sowieso unterwegs, um mich zu stellen.“ Es war Neujahr, und ich hatte extra einen Tag früher den Flieger genommen, um noch ein paar Sachen in meine Wohnung zu bringen.
Bei den Keels hatte ich ja mehrere Koffer stehen, und da ich nicht wusste, wie es nach der Haft weitergehen würde, hatte ich alles mitgebracht. Aber die legten mir Handschellen an und durchwühlten mein Gepäck. Dabei stießen sie unter anderem auf verdammt viel Sexspielzeug, Greg und ich hatten uns mehrere Dildos und Handschellen und so besorgt. Peinlich!
Zu allem Überfluss hatte ich auch noch meine Tage. Nachdem ich in Handschellen abgeführt worden war, kam ich wieder in dieser GeSa an, wieder in der Gothaerstraße, wieder dieses ekelhafte Ding. Wieder das gleiche Büro, wieder der schrecklich nette Brecht. Als Erstes jedoch die Leibesvisitation: Alles ausziehen! Ich sagte noch: Ich habe meine Tage und benutze, da ich keine Tampons vertrage, nur Binden.
Trotzdem musste ich mich untenrum komplett frei machen und in die Knie gehen. Hinhocken, Beine breit und husten. So wird geprüft, ob man etwas in der Vagina versteckt hat. Die Beamtinnen sagten: „Husten Sie noch mal.“
„Wollen Sie, dass ich Ihnen hier auf den Boden blute?“
„Husten Sie bitte noch einmal!“
„Hören Sie auf. Was soll denn das? Den Gefallen, das auch noch wegwischen zu müssen, tue ich Ihnen nicht!“ Dann zog ich mir meine Hose wieder an. Eine Beamtin lachte.
Sie hatte während der ganzen Chose ihre Leberwurststulle gegessen.
Nun also wieder in diese fiese GeSa-Zelle, ich musste auf die Verlegung warten. Und was passierte da? Der Fahrer des Gefangentransporters war der Vater einer Klassenkameradin meiner Schwester. Der Kerl hatte mich früher nicht in der Nähe seiner Tochter sehen wollen, weil er glaubte, ich könnte einen schlechten Einfluss
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