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Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Titel: Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane V. Felscherinow , Sonja Vukovic
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Kopf wäre Matsch gewesen, wenn sie mich getroffen hätte.
    „Olga ist schwanger“, sagte dann eine Frauenstimme aus dem Off, die ich später als Tollkühns erkannte. Keine Ahnung, was die wollten, ich hatte keine Chance, irgendwie nachzudenken, geschweige denn zu verstehen.
    Olga kam aus Weißrussland und saß wegen Drogendelikten und schwerer Körperverletzung ein. Als sie wieder zuschlug, bin ich ausgewichen, beim dritten Mal warf sie ihre Waffe, und ich konnte mich gerade noch rechtzeitig bücken, sodass das Ding über mich hinweg gegen die Küchenzeile flog. Es hat laut gescheppert, Kochtöpfe und Gläser flogen durch die Luft und knallten auf den Gussbetonboden. Dann, endlich, kamen die Wärter, sie hatten den Lärm gehört. „Wir haben nur ein bisschen aufgeräumt“, sagte Olga, riss die Hände unschuldig in die Höhe und ging weg.
    Da bemerkte ich, dass ich eine brennende Schramme an der linken Schläfe abbekommen hatte, aber sonst nichts. Natürlich habe ich den Wärtern gesagt, was geschehen war. Aber was sollten sie machen? Olga einsperren?
    Das Gebäude am Friedrich-Olbricht-Damm heißt heute JVA Charlottenburg und ist ein Männergefängnis. Ein Jahr vor meiner Haftstrafe, die im Januar 1986 begann, waren die Vollzugsmitarbeiter und die Insassinnen aus der Lehrter Straße in diese „modernste und sicherste Frauenhaftanstalt Europas“, wie es damals hieß, eingezogen. Sie war gebaut worden, weil der Knast in der Lehrter Straße total heruntergekommen war. Zudem waren hier Mitte der Siebzigerjahre vier Top-Terroristinnen ausgebrochen, weshalb man nun das mehr als 40.000   Quadratmeter große Areal am Friedrich-Olbricht-Damm gebaut hatte. Es war mit einer fünf Meter hohen Mauer gesichert, und es gab fünf Bewachungstürme, in denen manchmal auch bewaffnete Polizisten saßen und die Lage von oben überblickten.
    Da war nichts mit Ausbruch, nicht mal für die Tollkühn. Angeblich sollten mehr als 300   Frauen dort untergebracht werden können. Aber die Hälfte der Betten war eigentlich immer leer. Ich hatte ein Einzelzimmer.
    Das war mir nur recht, denn ich wollte nirgends mitmischen, sondern nur meine Ruhe.
    Aber deine Ruhe bekommst du im Knast eben nicht einfach so, die musst du dir schon verdienen. Ich bekam sie im Gegenzug für ein paar Gramm Heroin.
    Eine Freundin von mir hatte 50   Gramm Heroin in die JVA geschmuggelt. Einen Flieger können die Bullen stürmen, aber sie sind zu dumm, eine bekannte Dealerin ordentlich zu untersuchen. „Husten Sie mal“, so wie es die Bullen in der fiesen GeSa von mir verlangt hatten, bringt nämlich gar nichts, wenn du ganze Pakete im Unterleib versteckt hast. Der Dilettantismus der Beamten, die meine Freundin verhaftet hatten, war mein Glück.
    50   Gramm, das ist mehr als die Monatsration eines Hardcore-Junkies. Aber im Knast kannst du ja nicht ständig auf Jum sein, dann fliegt das sofort auf. Darum hat diese Freundin mir fast die Hälfte ihres Heroins abgegeben, und ich war schlau genug, mir die Richtigen auszusuchen, an die ich einen Teil weiterverschenkte. Im Vollzug nehmen fast alle harte Drogen. Kaum einer kifft oder trinkt, da sind richtige Opfer dabei, die gleich mit Heroin oder Crack eingestiegen sind und gar nicht wissen, was es bedeutet, einen Trip, also LSD oder Ecstasy, zu werfen.
    Wenn du Drogen hast, musst du die taktisch klug verteilen. Du kannst dich hinter Gittern nicht allein aufstellen, dann bist du tot.
    Natürlich habe ich der Tollkühn etwas angeboten. Das heißt, nicht direkt, denn ich wollte ja auch nicht, dass sie denkt, ich will mich bei ihr beliebt machen, das hätte sie erst recht ausgenutzt.
    Wie nebenbei erzählte ich ihrer besten Freundin, einer brutal üblen Braut, die mehrfach wegen Körperverletzung mit Todesfolge und schweren Diebstahls einsaß, dass ich Stoff hätte, den ich gern unter den Frauen verteilen würde. Ehe die Bullen ihn finden. Kurze Zeit später stand sie im Auftrag der Tollkühn vor mir und fragte, was ich haben wolle für ein Gramm.
    Ich habe es ihr nicht geschenkt, die sollte nicht denken, sie bekäme was umsonst.
    Ich habe ihr einen Zwanziger abgenommen, viel zu wenig, aber im Knast hat ja niemand so viel Geld. Außerdem wollte ich noch etwas anderes: Sie solle mir künftig doch bitte schwangere Furien mit Blechschippen vom Hals halten, habe ich gesagt.
    Das hat dann auch geklappt, das Verhältnis zwischen der Tollkühn und mir beruhte ab dem Zeitpunkt nicht unbedingt auf Sympathie, aber auf so etwas

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