Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)
Sozialgesetzbuch regelt auch das „persönliche Budget“, das Menschen mit Behinderung oder von Behinderung bedrohten Menschen rechtlich zusteht. Hierbei geht es vor allem um betreutes Wohnen, aber auch um Leistungen der Pflegeversicherung und der Krankenkassen sowie Hilfen im Arbeitsleben.
Langzeitdrogenabhängige gelten in der Bundesrepublik als seelisch behinderte Menschen.
Bis zum Jahr 2020 könnte die Zahl der pflegebedürftigen Männer und Frauen in Deutschland auf bis zu 2,9 Millionen steigen, prognostizieren Demografen. Wenn alles so bleibt wie bislang, dann befindet sich rund ein Drittel dieser Menschen in der pflegerischen Obhut eines Verwandten – eine Option, die die meisten Opiatabhängigen aufgrund ihrer Einsamkeit nicht haben.
Aber die bestehenden Einrichtungen sind bislang nicht auf sie vorbereitet. Von den rund 11.000 voll- und teilstationären Heimen in Deutschland sind nur zwei Prozent auf behinderte Menschen ausgerichtet und nur weitere drei Prozent auf die Versorgung von psychisch erkrankten Menschen.
Unter den aktuellen Bedingungen macht die Zukunft älteren Drogenabhängigen in Deutschland Angst. Wenn sie einmal pflegebedürftig werden sollten, sagen viele von ihnen, dann wollen sie sich lieber eine Überdosis Heroin spritzen oder auf eine andere Art und Weise Selbstmord begehen, als einsam an ein Bett gefesselt zu sein oder in einem Altersheim zu leben, in dem sie Stigmatisierung und Diskriminierung erleiden.
Praktische Beispiele belegen, dass die Aufnahme von Drogenabhängigen verschiedener Altersgruppen mit schweren chronischen Erkrankungen in Altenpflegeheime möglich und sinnvoll sein kann, wenn die Versorgungs- und Behandlungskonzepte an deren Bedarf angepasst sind. Ein gutes Beispiel liefert das „House of Life“ in Berlin, in dem seit 2006 junge Erwachsene leben, die sonst in Altenpflegeeinrichtungen untergebracht werden müssten. Die Bewohner sind unter anderem an AIDS, Parkinson oder Multipler Sklerose erkrankt, haben ein Schädel-Hirntrauma erlitten oder neurologische und psychische Mehrfachdiagnosen. Das überwiegend junge Personal wird fortlaufend geschult. „Uns ist wichtig, dass die Individualität der Bewohner respektiert und gefördert wird. Dazu gehören die persönliche Geschichte, der kulturelle Hintergrund, die gesundheitlichen Einschränkungen und die sexuelle Identität“, heißt es auf der Homepage des „House of Life“.
Als akzeptierenden drogenpolitischen Ansatz bezeichnet man den „Frankfurter Weg“. Das Hilfenetz für Menschen mit Drogenproblemen konzentriert sich auf Schadensreduzierung und Stärkung der Überlebenschancen. Der Schwerpunkt der Angebote liegt vor allem im niedrigschwelligen Hilfenetzwerk: Essen, Trinken, Bekleidung und Hygiene sollen gewährleistet, ausreichend sauberes Spritzbesteck zur Verfügung gestellt werden, um die Verbreitung von Infektionskrankheiten zu unterbinden.
Verschiedene Initiativen in Deutschland versuchen, die gesundheitlichen Risiken durch Beratung in akuten Konsumsituationen zu minimieren. Das Verfahren des „Drug Checking“, also die Untersuchung illegaler Substanzen auf ihre Inhaltsstoffe und Streckbeimengen, soll als „Qualitätskontrolle“ vor Not- und Todesfällen schützen.
Hierbei bieten Suchtexperten in Diskotheken sowie auf Events und Partys die chemische Analyse an, um potenzielle Konsumenten vor besonders gesundheitsschädlichen Präparaten warnen zu können. Sie postieren sich zum Beispiel an den Toiletten und wollen im akzeptanzorientierten Sinne dem Konsumenten, der gerade im Begriff ist, die Droge einzunehmen, sachliche Informationen über die Substanzen bieten, damit er auf dieser Basis überdenken kann, ob er sich auf deren Konsum einlassen möchte oder aber darauf verzichtet.
In Österreich, der Schweiz und den Niederlanden zum Beispiel werden Drug-Checking-Modelle staatlich subventioniert. Anfang der Neunzigerjahre hatte der Verein Eve & Rave auch in Deutschland das erste Drug-Checking auf Partys durchgeführt. Nach polizeilichen Ermittlungen wurden die Tests aber schnell wieder eingestellt und die Akteure angeklagt. Rechtlich gesehen bewegten sie sich in einer Grauzone, da sie sich bei der Annahme und Rückgabe der Drogen im Grunde strafbar machten. Die Angeklagten wurden zwar freigesprochen, doch das Bundesgesundheitsministerium erließ anschließend eine Weisung an alle öffentlichen Labore, dass keine Proben von zivilen Organisationen mehr angenommen werden sollen.
Dabei sind
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