Christine Feehan - Karpatianer 13 - Dunkler Ruf des Schicksals
wollte wissen, wer Nicolae war oder wie seine Gefährtin in eine solche Verfassung hatte kommen können. Ich mache mich sofort auf den Weg. Wir brechen beim nächsten Erwachen auf. Es war ein typisches Beispiel für die selbstlose Hilfe der Karpatianer, und Nicolaes Herz war so voll, dass er nicht antworten konnte.
»Danke, Vikirnoff. Er kommt.« Nicolae langte in seine Hemdtasche und zog ein zerknittertes Foto heraus. »Ein Vampir hat MaryAnn in ihrem Büro besucht und ihr über einen geistigen Zwang befohlen, die Nummer auf seiner Geschäftskarte anzurufen, falls die Frau auf diesem Bild bei ihr Hilfe suchen sollte. Ich glaube, wir müssen sie finden und alles tun, um sie zu beschützen. Ich kann jetzt nicht von hier weg. Würdest du mit der Suche beginnen? Wir können Kopien der Aufnahme machen - MaryAnn hat das entsprechende Gerät - und unter unseren Leuten verteilen.«
Vikirnoff, der das Bild genommen und mit mäßigem Interesse betrachtet hatte, versteifte sich plötzlich und heftete seinen Blick erneut auf das Bild, um es sorgfältig zu studieren. »Wer ist diese Frau?«
»Er hat keinen Namen genannt. Es waren kaum Erinnerungen an das Gespräch und gar keine Erinnerungen an den Vampir selbst vorhanden. Ich konnte ihn nicht in MaryAnns Gedächtnis sehen. Warum? Kennst du sie?«
»Ist das ein Farbfoto, Nicolae?« Er sah seinen Bruder nicht an, sondern starrte weiter wie gebannt auf das Bild.
Nicolae beobachtete, wie Vikirnoff liebevoll mit der Daumenkuppe über das Hochglanzpapier strich. »Ja, ist es. Kennst du sie?«, fragte er noch einmal. Er hatte noch nie erlebt, dass Vikirnoff Interesse an einer Frau zeigte.
»Ich habe ihr Gesicht gesehen. Ihre Augen. Nicht in Wirklichkeit; es war in einem Traum. In einem Traum, Nicolae, vor langer Zeit. Ihr Haar war schwarz wie die Nacht, und ihre Augen waren so blau wie die See, wenn sie ruhig und spiegelglatt ist. Dieses tiefe Blau ihrer Augen ist die einzige Farbe, an die ich mich noch erinnern kann. Diese Erinnerung hat mich nie losgelassen. Sind ihre Augen blau? Sind ihre Augen auf dem Foto blau? Haben sie ein auffallendes, strahlendes Blau?«
Nicolaes Herz füllte sich mit leiser Hoffnung. »Ja, Vikirnoff. Ihre Augen sind blau, und ihr Haar ist tiefschwarz. Du hast mir nie von diesem Traum erzählt.«
Vikirnoff zuckte mit den Schultern, doch sein Blick hing an dem Foto. »Warum sollte ich? Es war nur ein Traum. Was weißt du von ihr?«
»Wir glauben, dass sie ein Mensch ist und übersinnliche Fähigkeiten besitzt. Der Vampir hat angedeutet, sie besäße die Gabe der Psychometrie. Das ist alles, was wir wissen. Er hat behauptet, von einem Forschungszentrum für parapsychologische Phänomene zu kommen, wo man ihr angeblich helfen will. Sie läuft vor irgendjemandem davon, wahrscheinlich vor dem Vampir. Ich halte es für besser, wenn unsere Leute sie vor ihm finden.«
»Das könnte Jahre dauern, Nicolae. Ich kann dich nicht verlassen, solange du von Vampiren umzingelt und mit einer Gefährtin belastet bist, die dich durchaus in Gefahr bringen könnte, ohne sich dessen bewusst zu sein. Ihr Blut ist unrein, und wir wissen nicht, ob man daran etwas ändern kann. Ich will dich nicht verlieren, Nicolae. Du weißt, wie nahe ich dem Ende bin. Sollte dir und deiner Gefährtin etwas zustoßen, wäre es auch mit mir aus. Hier kann ich dir helfen. Wenn ich diese geheimnisvolle Frau suche, kann ich nichts für dich tun.«
Nicolae wehrte den Protest mit einer Handbewegung ab. »Ich bin ein Jäger, ein Beschützer unseres Volkes, genau wie du. Wir können nichts anderes tun, als das, was von uns erwartet wird. Unsere Ehre verlangt es.«
»Ich werde in ein, zwei Tagen mit der Suche beginnen. Am besten wäre es, ihr Foto ein paar Leuten in der Stadt zu zeigen. Falls sie hier in der Gegend war oder erwartet wird, weiß vielleicht jemand etwas über sie. Das wäre immerhin ein Anhaltspunkt.«
»Es ist möglich, dass der Vampir zu MaryAnn ging, noch bevor die Frau nach Seattle gekommen ist«, überlegte Nicolae laut. »Velda ist die richtige Anlaufstelle. Inez und ihr entgeht nichts.«
Vikirnoff schauderte sichtlich. »Vielleicht solltest du mit ihnen sprechen. Ich bleibe lieber im Hintergrund.«
Nicolae zog die Augenbrauen hoch. Er erwiderte nichts, sah seinen Bruder aber mit unverhohlener Belustigung an.
»Ich sehe keinen Grund für deinen neuen, eigenartigen Humor, Nicolae. Es ist eine Frage der Logik. Die Frau kennt dich und wird dir Dinge erzählen, die sie mir
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