Christine Feehan - Karpatianer 13 - Dunkler Ruf des Schicksals
schlug ein zweites Mal mit der Hand an den Felsen, um die Öffnung zu vergrößern. Der gelbe Dampf, der sich wie Zügel um ihre Hälse wand, zog sich straff zusammen. Wiederbelebte der Boden und bäumte sich dann so heftig auf, dass Nicolae und Destiny an das glühend heiße Gestein geschleudert wurden. Mit aller Macht unterdrückte sie einen Angstschrei. Sie wagte nicht, den Mund zu öffnen oder den furchtbaren giftigen Dunst einzuatmen, der sie umschloss.
Vikirnoff sprang durch die zerklüftete Öffnung, als die Erde von einem neuerlichen Beben erschüttert wurde. Nicolae packte Destiny an der Taille und stieß sie hinter seinem Bruder her. Sie landete hart auf der anderen Seite und überprüfte automatisch ihre Umgebung. Hinter ihr brach die Wand in sich zusammen, und Geröllmassen und Staub vermischten sich mit dem gelben Dampf, der in die enge Höhle geströmt war, um sie dort festzuhalten.
Destiny war mit einem Satz bei der Wand. Hektisch schaufelte sie Steine weg und warf sie blindlings zur Seite. »Er sitzt in der Falle!«, schrie sie, während sie mit den Händen die Felsbrocken umklammert hielt. Sie waren heiß und fühlten sich fast klebrig an. Ist alles in Ordnung?, rief sie Nicolae zu. Ihr blieb beinahe das Herz stehen. Er konnte nicht tot sein. Nicht er, ihr Gefährte. Ihr Retter. Sprich mit mir! Sag etwas!
Vikirnoff zog sie von der Felswand weg. »Geh!«, befahl er barsch. »Lass das Gift von diesem gelben Dampf nicht in deinen Körper gelangen. Geh, solange du es noch kannst. Ich hole ihn da raus.«
Destiny zögerte und sah zu, wie Vikirnoff in rasendem Tempo arbeitete. Er arbeitete gegen die Zeit, während die Erde ununterbrochen bebte und wankte.
Geh. Die Stimme war ruhig und stetig wie immer. Ohne jede Besorgnis. Destiny fuhr herum, sprang über einen Spalt, der vor ihr aufbrach, und rannte in die oberen Höhlen hinauf. Mit jedem ihrer Schritte wurde die furchtbare Last, die wie ein Stein auf ihrer Brust lag, schwerer. Sie verstand es nicht und wollte es auch gar nicht verstehen. Sie wusste nur, dass sie kaum Luft bekam, so groß war ihr Verlangen, umzukehren und Nicolae zu helfen.
Während sie vor den letzten gelblichen Schwaden davonrannte, veränderte sie ihre Gestalt und schoss durch Höhlen und Kammern immer weiter nach oben. Sie war ein Kometenschweif aus feinem Nebel, ein gutes Stück vor dem giftigen Dampf, der sie verfolgte. Aber etwas von ihr blieb zurück. Diesmal war es kein Blut, sondern etwas viel Wichtigeres. Es war ihre Seele, die bei Nicolae in der einstürzenden Höhle geblieben zu sein schien.
Sie brach ins Freie hinaus, in die kühle, belebende Luft. Destiny nahm die Gestalt einer Eule an und zog mit weit ausholenden Flügelschlägen über den Himmel. Normalerweise genoss sie es zu fliegen. Die Gestalt eines Vogels annehmen zu können, war einer der wenigen Vorteile des Daseins, das sie führte. Jetzt aber beherrschte sie nur das Verlangen zu wissen, ob Nicolae heil und unversehrt war. Das war alles, woran sie denken konnte, alles, was für sie von Bedeutung war.
Schön zu wissen, dass ich für dich von Bedeutung bin. Wieder diese typisch männliche Erheiterung, die ihr unweigerlich gegen den Strich ging. Aber diesmal empfand sie nur Erleichterung. Wir sind aus der Kammer entkommen und gerade dabei, diesen Dampf abzuschütteln. Bald sind wir bei dir.
Destiny brach die Verbindung abrupt ab. Sie würden nicht bald bei ihr sein! Sie brauchte jetzt die heilende Kraft und den Trost der Erde. Ihre Wunden brannten und pochten und erinnerten sie daran, dass sie ständig Schmerzen empfand, wenn sie sich nicht darauf konzentrierte, sie zu verdrängen. Obwohl sie sehr müde war, achtete sie sorgfältig darauf, ihre Spuren zu verwischen. Sie durfte nicht das Risiko eingehen, gefunden zu werden, und sie wusste, was für ein meisterhafter Jäger Nicolae war. Er hatte ihr Einblick in seine Erinnerungen gewährt, und nach Jahrhunderten des Kämpfern verfügte er über einen reichen Schatz an Erfahrungen. Sie war nicht in der Verfassung, gegen ihn anzutreten, insbesondere, da er einen Reisegefährten bei sich hatte.
Destiny machte absichtlich einige Kehrtwendungen. Sie war entschlossen, Ort und Zeit ihres Kampfes mit Nicolae selbst zu bestimmen und dafür zu sorgen, dass sie im Vorteil war. Sie würde sich nicht noch einmal überrumpeln lassen.
Völlig erschöpft zog sie sich in ein kleines Wäldchen an dem Berghang eines Nationalparks zurück. Der Wind blies kräftig und verstärkte
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