Christine Feehan - Karpatianer 13 - Dunkler Ruf des Schicksals
Ehre ihr einziger Grund wäre, doch das war eine Lüge, die ihr schwer auf dem Herzen lag.
Destiny starrte die Kirchentür an. Sie war an diesen Ort zurückgekehrt, der ihr einziger Halt und ihre letzte Zuflucht war. Selbst an diesen frommen Ort war ihr das Böse gefolgt. Vorsichtig stieg sie die Treppe hinauf, mit leisen Schritten, fast ohne den Boden zu berühren. Sie bewegte sich mit der Lautlosigkeit des Jägers, und ihre Hand war ruhig, als sie die Kirchentür aufstieß. Sie roch sofort Blut. Der Geruch war fast überwältigend stark, dunkel und schwer, Versuchung und Warnung zugleich. Sie spürte, wie ihr Herz schneller schlug und ihr Puls flatterte. Ihre Handflächen waren schweißnass, als sie die Tür weiter aufschob. Ihr Magen verkrampfte sich, und ihr Hunger wurde zu schmerzhaftem Verlangen.
Als sie das Innere der Kirche überprüfte, konnte sie niemanden entdecken, aber der Widerhall von Gewalt war deutlich wahrnehmbar. Zögernd machte sie einen Schritt und hielt dann inne. »Vater Mulligan?« Leise rief sie seinen Namen und trat entschlossen über die Schwelle.
Nichts geschah. Nicht ein einziger Blitz schoss vom Himmel, um sie für ein derartiges Sakrileg in Flammen aufgehen zu lassen. Ihre Nervosität legte sich, und ihr Herz schlug wieder in einem gleichmäßigen Rhythmus. Sie konnte im Halbdunkel des Kircheninneren gut sehen. Einige Kerzen, die in einer kleinen Nische zu ihrer Linken brannten, gaben ein schwaches, flackerndes Licht ab.
Sie entdeckte den Priester in der Nähe des Altars. Er lag auf dem Boden und sah in seinem braunen Ornat wie ein dunkler Haufen Lumpen aus, die achtlos auf die Marmorstufen zum Altar geworfen worden waren. Destiny kniete sich neben ihn. »Vater ... nicht Sie«, flüsterte sie. »Wer könnte Ihnen etwas antun?«
Der Priester rührte sich nicht. Als Destiny sich über ihn beugte, konnte sie seine flachen Atemzüge hören. Er war am Leben, aber sie scheute davor zurück, ihn anzufassen. Er sah so zerbrechlich aus, und sie hatte Angst, sie könnte ihm wehtun. Und ein Teil von ihr fürchtete, sie könnte auf der Stelle tot umfallen, wenn sie einen Geistlichen berührte.
Der Priester stöhnte und hob eine Hand, um nach der blutenden Stelle an seinem Kopf zu tasten. Seine Lider flatterten ein wenig, dann schaute er sie an.
»Vater Mulligan? Wer hat das getan?« Sie wich automatisch in den Schatten zurück.
»Kind, ich fürchte, du musst mir helfen, damit ich mich aufsetzen kann. Mir ist ziemlich schwindlig.« Trotz der vielen Jahre, die er in den Vereinigten Staaten lebte, war sein irischer Akzent unverkennbar.
»Ich soll Sie anfassen, Vater?« Sie klang entsetzt. »Was ist, wenn ich Ihnen wehtue?«
Er brachte ein Lächeln zustande. »Ich glaube, du kannst meinem Kopf nicht mehr Schaden zufügen, als er bereits erlitten hat. Hilf mir bitte auf, ja?«
Destiny holte tief Luft und legte behutsam einen Arm um seine Schultern. Als nichts geschah, packte sie fester zu und half ihm vorsichtig, sich aufzusetzen. Er fühlte sich viel dünner an, als er in seinen weiten Gewändern wirkte, und unter ihren Fingern spürte sie spitze, vorstehende Knochen. Er zitterte und schwankte, als könnte er nicht ohne Hilfe sitzen, deshalb ließ sie ihren Arm auf seinen Schultern. Er war älter, als sie angenommen hatte.
»Als mir klar wurde, dass er mir eins überziehen würde, dachte ich an dich und deine nächtlichen Besuche, mein Kind. Ich wusste, Gott würde dich zu mir schicken.« Er versuchte zu zwinkern, zuckte stattdessen aber zusammen. »Bloß um meine Chancen zu verbessern, habe ich Gott noch ein kleines Gebet geschickt, damit er dich benachrichtigt.«
»Er hat sich ganz schön Zeit gelassen.« Es machte sie zornig, dass jemand einen so großzügigen und mitfühlenden Mann niederschlagen konnte. Sie hatte keine Ahnung, warum sie zu der Kirche gegangen war, aber sie hatte irgendwie das Gefühl gehabt, dass es dringend nötig wäre.
»Jetzt bist du hier, und nur darauf kommt es an.«
»Können Sie aufstehen?« Seine tiefe Blässe machte ihr Sorgen. »Vielleicht sollte ich lieber einen Krankenwagen rufen.«
»Nein, nein, nicht nötig. Lass mich einfach einen Moment hier sitzen und verschnaufen.« Der Priester tätschelte liebevoll ihre Hand, als wollte er sie beruhigen. »Wenn du einen Krankenwagen rufst, müssen wir das Ganze erklären, und es wäre besser, wenn wir der Sache selber auf den Grund gingen.«
Destiny runzelte die Stirn. »Das ist doch Unsinn, Vater. Sie müssen
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