Christmasland (German Edition)
auch ein bisschen. Ich ziehe die frittierten Süßkartoffeln eindeutig vor.«
Wayne merkte es sehr deutlich, auch wenn er es nicht richtig festmachen konnte. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Seine Glieder schmerzten, und er fühlte sich fiebrig, was nicht nur daran liegen konnte, dass er im Auto übernachtet hatte. V or allem fiel ihm auf, dass er auf Manx ganz anders reagierte als früher. Zum Beispiel hätte er beinahe gelacht, als Manx »müffeln« gesagt hatte. Was für ein lustiges Wort! Allerdings würde ein geistig gesunder Mensch wohl kaum begeistert über die Witze seines Entführers lachen.
»Aber Sie sind doch ein V ampir«, sagte Wayne. »Sie nehmen meinem Körper etwas weg, was in Ihren Körper übergeht.«
Manx betrachtete ihn kurz im Rückspiegel. »Der Wagen heilt uns beide. Das ist so ähnlich wie bei diesen neuen Autos, diesen Hybrids. Weißt du, was ein Hybrid ist? Die werden zur Hälfte mit Benzin betrieben und zur Hälfte mit guten Absichten. Der Wraith ist der wahre Hybrid! Er wird mit Benzin und schlechten Absichten betrieben. Gedanken und Gefühle sind eine Art Energie, genau wie Öl. Der Wraith wird von deinen negativen Gefühlen angetrieben, von allem, was dich je verletzt hat und vor dem du dich fürchtest. Und das meine ich nicht im übertragenen Sinne. Hast du irgendwelche Narben?«
»Ich bin mal mit einem Kittmesser abgerutscht«, sagte Wayne. »Hier.« Er hielt die rechte Hand hoch. Aber als er sie betrachtete, konnte er die hauchdünne Narbe, die sich immer an seinem Daumen befunden hatte, nicht mehr entdecken. Sie war weg.
»Die Straße zum Christmasland befreit dich von Sorgen und Leid und lässt sämtliche Narben verblassen. Sie nimmt alles Schlechte von dir und lässt dich gereinigt zurück. Wenn wir an unserem Ziel angekommen sind, wirst du völlig schmerzfrei sein. Du wirst nicht einmal mehr wissen, was Schmerz ist. Dein Unglück ist wie Schmutz an einem Fenster. Wenn das Auto mit dir fertig ist, wirst du sauber sein. Und ich genauso.«
»Aha«, sagte Wayne. »Und wenn ich nun nicht bei Ihnen wäre? Wenn Sie allein zum Christmasland unterwegs wären? Würde das Auto Sie trotzdem … jünger machen?«
»Meine Güte, du stellst aber eine Menge Fragen! Wahrscheinlich bist du ein richtig guter Schüler! Nein. Allein kann ich nicht zum Christmasland gelangen. Dann könnte ich die Straße nicht finden. Ohne einen Passagier ist das Auto bloß ein normales Auto. Das ist ja das Gute daran! Ich kann nur dann gesund und glücklich werden, wenn ich andere gesund und glücklich mache. Die heilende Straße zum Christmasland ist den Unschuldigen vorbehalten. Ich darf sie nicht allein für meine Zwecke nutzen. Ich muss anderen Gutes tun, um selber Gutes zu empfangen. Wenn doch nur der Rest der Welt genauso funktionieren würde!«
»Ist das die heilende Straße zum Christmasland?«, fragte Wayne mit einem Blick aus dem Fenster. »Das sieht mir eher nach der Interstate aus.«
»Es ist tatsächlich die I-80 … jetzt, da du wach bist. Aber noch vor einer Minute hast du geträumt, und da waren wir auf dem St. Nick Parkway, unter dem alten Mr. Mond. Erinnerst du dich? Die Schneemänner und die Berge in der Ferne?«
Ein tiefes Schlagloch hätte Wayne kaum stärker erschüttern können. War Manx etwa in seinen Träumen gewesen? Ihm fiel wieder der seltsame Himmel ein und das weiße Rauschen. Himmel falscher ein ist Das. Wayne wusste, dass Großmutter Lindy versucht hatte, ihm etwas zu sagen. Sie hatte ihm erklären wollen, wie er sich vor dem, was Manx und sein Auto mit ihm machten, schützen könnte. Aber er hatte es nicht begriffen, und irgendwie kostete es zu viel Mühe, darüber nachzudenken. Außerdem kam seine Großmutter mit ihren guten Ratschlägen ein bisschen spät. Zu Lebzeiten hatte sie sich kaum um ihn gekümmert, und er hatte immer den V erdacht gehabt, dass sie seinen V ater Lou nicht gemocht hatte, weil er dick war.
»Wenn du einschläfst, werden wir die Straße wiederfinden«, sagte Manx. »Und je eher wir dorthin zurückkehren, desto eher wirst du Karussell fahren und mit meinen Töchtern und ihren Freunden Blinde Kuh spielen können.«
Zu beiden Seiten der Straße erstreckte sich ein Wald aus Maispflanzen. Maschinen standen auf riesigen schwarzen Trägern über den Reihen. In Waynes V orstellung waren die Maschinen mit Gift gefüllt, das sie auf den Mais sprühten – ein tödlicher Regen, der verhindern sollte, dass der Mais von invasiven Arten gefressen wurde. Der
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