Christmasland (German Edition)
tatsächlich alles besser. »Wie haben Sie das Christmasland entdeckt?«, fragte Wayne.
»Ich habe meine Töchter dorthin gefahren«, sagte Manx. »Und meine erste Frau.« Er hielt inne und fügte dann hinzu: »Meine erste Frau war kein einfacher Mensch. Schwer zufriedenzustellen. Wie die meisten Rothaarigen. Ständig hat sie an mir rumgekrittelt. Und sie hat meine eigenen Kinder gegen mich aufgebracht. Wir hatten zwei Töchter. Mein Schwiegervater hat mir Geld gegeben, damit ich mir eine kleine Existenz aufbaue, und ich habe mir davon ein Auto gekauft. Dieses Auto. Ich dachte, Cassie – so hieß meine erste Frau – würde sich freuen, wenn ich damit nach Hause kam. Stattdessen war sie genauso unverschämt und schwierig wie immer. Sie behauptete, ich hätte das Geld zum Fenster rausgeworfen, dabei wollte ich mich als Chauffeur selbstständig machen. Aber sie war der Meinung, ich würde sie und die Kinder in die Armut treiben. Sie war eine gehässige Frau, die mich vor den Augen der Kinder beschimpft hat. Und das sollte sich kein Mann bieten lassen.« Manx ballte die Hände zu Fäusten, sodass seine Knöchel weiß hervortraten. »Einmal hat sie eine Öllampe nach mir geworfen und meinen besten Mantel in Brand gesetzt. Denkst du, sie hätte sich je dafür entschuldigt? Im Leben nicht! Stattdessen hat sie sich an Thanksgiving und bei Familienfesten über mich lustig gemacht. Gackernd wie ein Truthahn lief sie auf und ab, wedelte mit den Armen und rief: ›Lösch mich! Lösch mich!‹ Ihre Schwestern haben sich köstlich darüber amüsiert. Ich sag dir was: Das Blut einer Rothaarigen ist drei Grad kälter als das anderer Frauen. Das ist wissenschaftlich bewiesen.« Er warf Wayne über den Rückspiegel einen schiefen Blick zu. »Allerdings zieht gerade das, was sie im Alltag so unerträglich macht, die Männer geradezu magisch an. Wenn du verstehst, was ich meine.«
Wayne verstand es zwar nicht, nickte aber trotzdem.
»Gut«, sagte Manx. »Dann sind wir uns also einig. Ich kenne einen Ort, wo wir Feuerwerkskörper bekommen, die so laut und grell sind, dass dir Hören und Sehen vergeht! Morgen Abend sollten wir bei der Bibliothek in Hier sein. Dort können wir dann unser kleines Feuerwerk veranstalten. Und wenn wir fertig sind, werden die Leute denken, der dritte Weltkrieg hätte angefangen.« Er hielt inne und fügte dann in einem arglistigen Ton hinzu: » V ielleicht wird uns Ms. Margaret Leigh ja Gesellschaft leisten? Ich würde ihr zu gern eine Lektion darüber erteilen, dass man sich nicht in anderer Leute Angelegenheiten einmischt.«
»Was hat das denn mit ihr zu tun?«, fragte Wayne. »Warum lassen wir sie nicht einfach in Frieden?«
Eine große Motte schlug mit einem leisen Knacken gegen die Windschutzscheibe und hinterließ einen smaragdgrünen Streifen auf dem Glas.
»Du bist ein kluges Kind, Wayne Carmody«, sagte Manx. »Du hast die ganzen Geschichten über Ms. Leigh gelesen. Sicherlich kannst du dir denken, warum ich sie besuchen möchte.«
Als es noch hell gewesen war, hatte Wayne die Artikel durchgeblättert, die Bing im Internet über Margaret Leigh gefunden hatte. Es waren ein Dutzend Geschichten, die zusammen eine größere Geschichte erzählten, die von V erlust, Sucht und Einsamkeit handelte … und von merkwürdigen Wundern.
Der erste Artikel war aus den frühen Neunzigern gewesen und in der Cedar Rapids Gazette erschienen: »Hellseherische Gabe oder glücklicher Zufall? ›Spontane Eingebung‹ einer Bibliothekarin rettet Kindern das Leben«. Darin wurde von einem Mann namens Hayes Archer aus Sacramento berichtet, der mit seinen zwei Söhnen in seiner brandneuen Cessna zu einem nächtlichen Flug an der kalifornischen Küste aufgebrochen war. Genauso neu wie das Flugzeug war auch sein Pilotenschein gewesen. V ierzig Minuten nach dem Start vollführte Archers einmotorige Cessna einige Zickzackmanöver, bevor sie vom Radar verschwand. Man ging davon aus, dass Archer in eine Nebelwand hineingeflogen war, den Sichtkontakt zum Festland verloren hatte und bei der Suche nach dem Horizont ins Meer gestürzt war. Sogar die landesweiten Medien hatten über den Fall berichtet, weil Archer recht vermögend war.
Margaret Leigh hatte die Polizei in Kalifornien angerufen, um den Ermittlern mitzuteilen, dass Archer und seine Kinder nicht ins Meer gestürzt und noch am Leben waren. Die Maschine hatte zum Festland zurückgefunden und war in einer Schlucht niedergegangen. Den genauen Standort konnte sie der
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