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Christmasland (German Edition)

Christmasland (German Edition)

Titel: Christmasland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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Schnaufen der Motor aus.
    Als V ic das letzte Mal in Hier gewesen war, war der Park hinter der Bibliothek sauber geharkt und schattig gewesen, ein Ort, wo man sich auf einer Decke ausstrecken und ein Buch lesen konnte. Jetzt war dort nur noch ein halber Morgen Morast, auf dem die Reifen von Schaufelladern und Kipplastern tiefe Furchen hinterlassen hatten. Die jahrhundertealten Birken und Eichen waren gefällt und zu einem vier Meter hohen Berg aus totem Holz zusammengeschoben worden.
    Nur noch eine einzige Parkbank war übrig. Früher war sie dunkelgrün gewesen, mit schmiedeeisernen Armlehnen, aber die Farbe war abgeblättert, und das Holz darunter war gesplittert und ausgeblichen. Dort saß Maggie in der prallen Sonne und döste mit dem Kinn auf der Brust. In einer Hand hielt sie einen Getränkekarton mit Limonade, über dem Fliegen summten. Sie trug ein ärmelloses Shirt, das ihre dürren, ausgemergelten Arme mit den vielen Brandnarben enthüllte. Irgendwann hatte sie sich die Haare leuchtend orangerot gefärbt, aber die braungrauen Ansätze schimmerten bereits wieder durch. V ics Mutter hatte nicht so alt ausgesehen, als sie gestorben war.
    Maggie so zu sehen – so abgehärmt und allein – war schlimmer als der Schmerz in ihrem linken Knie. Bei ihrem letzten Treffen hatte sie sie beschimpft und ihr mit der Polizei gedroht. Jetzt schämte sie sich dafür, und sie gestattete sich nicht, das Gefühl beiseitezuschieben. Sie ließ es brennen, wie die Glutspitze einer Zigarette auf der Haut.
    Die V orderbremse quietschte, als das Motorrad zum Stillstand kam. Maggie hob den Kopf, schob sich das spröde Haar aus der Stirn und lächelte verschlafen. V ic klappte den Ständer nach unten.
    Maggies Lächeln verschwand ebenso schnell, wie es aufgetaucht war. Schwankend stand sie auf.
    »O V - V - V ic. Was ist mit dir passiert? Du bist ja voller Blut.«
    »Wenn es dich tröstet – das meiste ist nicht von mir.«
    »Tut es nicht. Mir wird g-g-g-ganz sch- schummrig . Habe ich dich nicht das letzte Mal schon verarzten müssen?«
    »Ja. Gut möglich.« V ic schaute an Maggie vorbei zur Bibliothek. Die Fenster im ersten Stock waren mit Sperrholzplatten vernagelt. Über die Stahltür auf der Rückseite war gelbes Absperrband gespannt. »Was ist mit deiner Bibliothek passiert, Maggie?«
    »D-d-der geht’s nicht so gut. Genau wie m-m-m-m-m-mir.« Maggie grinste und entblößte dabei ihre Zahnlücke.
    »O Maggie«, sagte V ic, und fast wäre sie in Tränen ausgebrochen. Wegen Maggies unsauber aufgetragenem lilafarbenem Lippenstift. Wegen der gefällten Bäume und der Sonne, die zu hell und zu heiß war. Maggie hatte es verdient, im Schatten zu sitzen. »Ich weiß nicht, wer von uns beiden den Arzt nötiger hat.«
    »Ach was, mir geht’s gut! Nur m-m-mein Sto-Stottern ist schlimmer geworden.«
    »Und deine Arme.«
    Maggie sah an sich hinab und kniff verwirrt die Augen zusammen, als sie die vielen Brandmale sah. Dann schaute sie wieder auf. »Das hilft mir, normal zu reden. Und auch bei ein paar anderen Sa-Sa-Sachen.«
    »Was hilft dir?«
    »Schm-Schm-Schmerzen. Los, komm. Geh’n wir rein. Maggie ffffff flickt dich wieder zusammen.«
    »Deswegen bin ich nicht gekommen, Maggie. Ich will deine Steine was fragen.«
    »K-k-könnte sein, dass sie keine Antworten haben«, sagte Maggie und wandte sich dem Pfad zu. »Sie funktionieren nicht mehr s-ss-so gut. Sie sto-sto-sto-stottern auch, musst du wissen. Aber ich werd’s versuchen. Nachdem ich dich wieder hingekriegt und ein bisschen be-be-bemuttert hab.«
    »Ich weiß nicht, ob ich dafür genug Zeit habe.«
    »Klar hast du das«, sagte Maggie. »Er hat es no-no-no-noch nicht bis zum Christmasland geschafft. Wir wissen beide, dass du ihn vorher nicht zu fassen kriegst. Das wäre, als wolltest du eine Handvoll Ne-Ne-Nebel packen.«
    V ic stieg vorsichtig vom Motorrad. Fast hüpfte sie, um das linke Bein nicht zu belasten. Maggie legte ihr einen Arm um die Taille. V ic wollte ihr sagen, dass sie keine Krücke brauchte, aber das stimmte nicht – ohne Hilfe würde sie es kaum bis in die Bibliothek schaffen. Automatisch legte sie Maggie den Arm um die Schulter. Sie gingen ein paar Schritte, dann blieb Maggie stehen und schaute hinüber zur Shorter Way Bridge, die abermals den Cedar River überspannte. Der Fluss wirkte breiter, als V ic ihn in Erinnerung hatte, und das Wasser schäumte bis hinauf zum Rand der schmalen Straße, die sich hinter der Bibliothek entlangschlängelte. Die von

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