Christmasland (German Edition)
Anwesenden hatten eines – das ganze Team hörte der Unterhaltung zu.
Sie befanden sich im Konferenzzimmer im Hauptquartier der Bundespolizei außerhalb von Laconia. Der Raum hätte sich aber ebenso gut in einem Hilton oder Courtyard Marriott befinden können, groß und nichtssagend, wie er war. Ein langer ovaler Tisch stand in der Mitte, die Fenster gingen auf den weitläufigen Parkplatz hinaus.
McQueen legte auf. Hutter riss sich das Headset vom Kopf.
Cundy, ihr leitender Techniker, starrte seinen Laptop an. Er hatte Google Maps aufgerufen und die Bloch Lane in Sugarcreek, Pennsylvania, herangezoomt. Cundy hob den Blick und sah Hutter an. »In drei Minuten ist der erste Wagen dort. V ielleicht schneller. Ich hab gerade mit den Kollegen vor Ort gesprochen, und sie sind mit heulenden Sirenen unterwegs.«
Hutter öffnete den Mund, um ihn anzuschnauzen. Sagen Sie ihnen, sie sollen die verdammten Sirenen ausschalten. Man warnte doch eine flüchtige Person nicht, dass die Polizei unterwegs war! Das wusste jeder Anfänger.
Aber dann beugte sich Lou Carmody ganz weit vor, bis er mit der Nase auf der Tischplatte aufkam. Er stieß ein leises Ächzen aus und klammerte sich an den Tisch, als befände er sich auf hoher See und hielte sich an einem Stück Treibholz fest.
Deshalb sagte Hutter stattdessen: »Rufen Sie einen Krankenwagen!«
»Wir sollen … einen Krankenwagen in die Bloch Lane schi cken?«, fragte Cundy.
»Nein. Ich möchte, dass ein Krankenwagen hierherkommt.« Mit raschen Schritten ging Hutter um den Tisch herum und sagte mit erhobener Stimme: »Gentlemen, bitte, bedrängen Sie Mr. Carmody nicht so. Treten Sie zurück. Bitte treten Sie zurück.«
Lou Carmodys Bürostuhl war langsam nach hinten gerollt und glitt jetzt ganz unter ihm weg. Carmody ging zu Boden, als wäre er durch eine Falltür gestürzt.
Daltry war ihm am nächsten – er stand direkt hinter Carmodys Stuhl, in der Hand eine Tasse mit der Aufschrift DER BESTE OPA DER WELT . Er sprang beiseite, Kaffee schwappte ihm auf das rosafarbene Hemd.
»Was zum Teufel ist denn mit dem los?«, fragte er.
Hutter kniete sich neben Carmody hin, der halb unter dem Tisch auf der Seite lag. Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter und gab ihm einen Schubser. Es war, als würde sie versuchen, eine Matratze umzudrehen. Er plumpste auf den Rücken, wobei er mit der rechten Hand sein Iron-Man- T-Shirt packte und es zwischen seinen Männerbrüsten zu einem Knoten verdrehte. Seine Wangen hingen schlaff herab, und seine Lippen waren grau. Er stieß ein langes, heiseres Keuchen aus. Sein Blick huschte hin und her, als wüsste er nicht genau, wo er war.
»Bleiben Sie bei uns, Lou«, sagte Hutter. »Hilfe ist schon unterwegs.«
Sie schnippte mit den Fingern, bis er sie direkt ansah. Er blinzelte und lächelte unsicher. »Schicke Ohrringe. Supergirl. Ich hätte nie gedacht, dass Sie auf Supergirl stehen.«
»Ach, nein?«, sagte sie, nur damit sie weiterredete. »Worauf denn sonst?« Ihre Finger schlossen sich um sein Handgelenk. Eine ganze Weile spürte sie nichts, dann einen einzelnen Pulsschlag, gefolgt von einer langen Pause und schließlich von mehreren hektischen Schlägen.
» V elma«, sagte er. »Kennen Sie V elma aus Scooby-Doo? «
»Warum das?«, fragte Hutter. »Weil wir beide ein bisschen dicklich sind?«
»Nein«, sagte er. »Weil Sie beide klug sind. Ich habe Angst. Bitte halten Sie meine Hand.«
Sie nahm seine Hand in die ihre. Er strich ihr sanft mit dem Daumen über die Fingerknöchel.
»Ich weiß, dass Sie nichts von dem glauben, was V ic über Manx erzählt hat«, flüsterte er plötzlich. »Ich weiß, dass Sie sie für verrückt halten. Lassen Sie sich von den Tatsachen nicht den Blick auf die Wahrheit verstellen.«
» V erflixt«, sagte sie. »Wo ist der Unterschied?«
Zu ihrer Überraschung lachte er – ein abgehacktes, hil fl oses Lachen.
Sie musste mit ihm im Krankenwagen zum Hospital fahren. Er ließ ihre Hand nicht los.
Hier, Iowa
A ls V ic am anderen Ende der Brücke ankam, hatte sie den Leerlauf eingelegt und fuhr fast im Schritttempo. Sie konnte sich nur zu gut an ihren letzten Besuch in der Bibliothek von Hier erinnern, und daran, wie sie gegen eine Bordsteinkante gefahren war und sich das Knie auf dem Beton aufgeschlagen hatte. In ihrem Zustand konnte sie sich keinen Unfall leisten. Leerlauf bekam der Triumph jedoch nicht, und während sie auf die Asphaltstraße hinter der Bibliothek rollte, ging mit einem leisen, mutlosen
Weitere Kostenlose Bücher