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Christmasland (German Edition)

Christmasland (German Edition)

Titel: Christmasland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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Gestrüpp überwucherte Böschung war fortgespült worden.
    »Was ist dieses Mal am anderen Ende der Brücke?«
    »Ein paar Tote.«
    »Wird dir i-i-irgendjemand folgen?«
    »Ich glaube nicht. Da drüben sucht die Polizei nach mir, aber die Brücke ist bestimmt schon verschwunden, bevor sie sie entdecken können.«
    »Hier war die P-P-Po-Polizei auch.«
    »Haben sie nach mir gesucht?«
    »Ich weiß es nicht. V ie-vv- vvvvvvvvv ielleicht! Als ich von der Drogerie zurückkam, standen sie vor der Bibliothek. Also bin ich abgehauen. M-m-manchmal übernachte ich hier, manchmal wo-wo-woanders.«
    »Wo denn? Als wir uns das erste Mal begegnet sind, hast du erzählst, du würdest bei V erwandten wohnen – bei einem Onkel oder so?«
    Maggie schüttelte den Kopf. »Der ist weg. Der ganze Tr-Tr-Trailerpark ist weg. V om Fluss fortgespült.«
    Die beiden Frauen stolperten zur Hintertür.
    »Wahrscheinlich suchen sie nach dir, weil ich dich angerufen habe«, sagte V ic. »Auch gut möglich, dass sie dein Handy abhören.«
    »Hab ich mir schon gedacht. Darum hab ich es nach deinem Anruf weggeworfen. Ich wusste, dass du’s nicht brauchen würdest, um mich wiederzufinden. Keine Sorge!«
    Auf dem gelben Absperrband vor dem Eingang stand GEFAHR , und ein an die Tür geklebter Zettel in einer Plastikhülle warnte vor dem einsturzgefährdeten Gebäude. Die Tür war nicht verschlossen, sondern wurde von einem Betonbrocken aufgehalten. Maggie duckte sich unter dem Band hindurch und schob sie auf. V ic folgte ihr in die Finsternis.
    Das Magazin war einmal eine riesige Schatzkammer gewesen und hatte nach Zehntausenden von Büchern gerochen, die im Dunkeln langsam alterten. Die Regale waren immer noch da, auch wenn ganze Reihen umgekippt waren wie vier Meter hohe Dominosteine. Aber die meisten Bücher waren fort. Nur hier und dort lagen noch ein paar Stapel, die nach Schimmel und Fäulnis stanken.
    »Die große Flut war 2008, und die Mauern sind immer noch f-f-feucht.«
    V ic strich mit der Hand über den kalten Beton und stellte fest, dass Maggie recht hatte.
    Maggie stützte sie, während sie sich vorsichtig einen Weg durch die Trümmer bahnten. V ic stieß mit dem Fuß gegen einen Haufen Bierdosen. Als sich ihre Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten, sah sie, dass die Wände mit Graffiti beschmiert waren, zwei Meter lange Schwänze und überdimensionierte Titten – das Übliche halt. Daneben prangte auch noch eine Botschaft in roter Farbe:
    BITE IN DER BIBLOTEK LEISE SEIN
    HIER WIRD GEKIFT!
    »Ach, Maggie, das tut mir so leid«, sagte V ic. »Ich weiß, wie viel dir die Bibliothek bedeutet hat. Bekommt ihr denn von irgendwem Hilfe? Sind die Bücher an einen neuen Ort gebracht worden?«
    »Klar doch«, sagte Maggie.
    »Hier in der Nähe?«
    »Nicht weit weg. Bis zur städtischen Müllhalde ist es nur einen K-K-K-Kilometer den Fluss runter.«
    »Aber das Gebäude? Das ist doch schon hundert Jahre alt. Es ist ein historischer Ort.«
    »Da hast du wohl recht«, sagte Maggie, und für einen Moment stotterte sie überhaupt nicht mehr. »Das Haus ist Geschichte, Baby.«
    V ic konnte im Halbdunkel einen Blick auf ihr Gesicht erhaschen. Es war wahr: Schmerzen halfen wirklich gegen Maggies Stottern.

Die Bibliothek
    M aggie Leighs Büro hinter dem Aquarium war immer noch vorhanden – mehr oder weniger jedenfalls. Das Aquarium war leer, und auf seinem Boden türmten sich schmutzige Scrabble-Steine. Durch das trübe Glas war die Kinderbibliothek zu sehen, oder zumindest das, was davon übrig war. Maggies metallgrauer Schreibtisch stand noch, auch wenn die Tischplatte voller Furchen und Kratzer war und jemand klaffende rote Schamlippen daraufgesprüht hatte. Eine erloschene Kerze neigte sich über einen See aus violettem Wachs. Maggies Briefbeschwerer – Tschechows Pistole, jetzt kapierte V ic den Witz – hielt ein Buch offen, das Maggie gerade las, Borges’ Fiktionen . V ic entdeckte eine Tweedcouch, an die sie sich nicht erinnern konnte. Sie stammte ganz offensichtlich vom Flohmarkt und war an mehreren Stellen mit Klebeband ausgebessert. Aber wenigstens war sie trocken und stank nicht nach Schimmel.
    »Was ist mit deinem Koi passiert?«, fragte V ic.
    »Das weiß ich nicht genau«, antwortete Maggie. »Ich glaube, je-je-jemand hat ihn gegessen. Ich hoffe, er hat g-g-gut ge-ge-geschmeckt. Niemand sollte hu-hu-hungern.«
    Auf dem Boden lagen Spritzen und Gummischläuche. V ic passte auf, nicht auf die Nadeln zu treten, und ließ sich auf die

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