Christmasland (German Edition)
zusammen, als ein heftiger Schmerz ihren linken Augapfel durchzuckte. »Ich frage mich, warum ich es immer hinter dem linken Auge spüre, wenn ich die Brücke überquere. Das ist seit meiner Kindheit so.« Sie lachte unsicher. »Einmal hab ich sogar aus dem Auge geblutet.«
»Kreative Ideen stammen aus der rechten Gehirnhälfte«, erwiderte Maggie. »Aber wusstest du, dass die rechte Gehirnhälfte mit dem linken Auge sieht? Bestimmt braucht es eine Menge Energie, um einen Gedanken aus deinem Gehirn in die Realität zu befördern. Und diese Energie zischt dir genau hier durch.« Sie deutete auf V ics linkes Auge.
V ic betrachtete sehnsuchtsvoll die Tablette. Aber noch zögerte sie.
»Du wirst mir doch meine Fragen beantworten, oder? Mit den Steinen?«
»Bisher hast du mir noch keine gestellt, für die ich sie gebraucht hätte.«
»Ich muss wissen, wie ich Manx töten kann. Er ist im Gefängnis gestorben, aber das hat nicht gereicht.«
»Die Antwort darauf kennst du bereits, glaube ich.«
V ic nahm die Tablette aus Maggies Hand und griff nach dem Karton mit der Limonade. Der Saft war warm und klebrig, aber auch süß und gut. V ic schluckte die Tablette hinunter. Sie hinterließ einen leicht bitteren Nachgeschmack.
»Der Wagen«, sagte V ic. »Der Wraith.«
»Ja. Der Wagen und Manx gehören zusammen. Als jemand den Motor rausgerissen hat, ist Manx umgekippt. Und als der Motor wieder eingebaut und der ganze Wagen instand gesetzt wurde, ist Manx wieder aufgewacht. Solange der Wagen fahrbereit ist, wird Manx leben.«
»Wenn ich also den Wagen zerstöre … zerstöre ich damit gleichzeitig ihn.«
Maggie sog an ihrer Zigarette. Die Spitze glomm in der Finsternis auf. »Darauf kannst du wetten.«
»Okay«, sagte V ic. Es waren erst ein oder zwei Minuten vergangen, aber die Tablette wirkte bereits. Als V ic die Augen schloss, hatte sie das Gefühl, lautlos auf ihrem alten Tuff Burner dahinzugleiten, durch das Halbdunkel eines schattigen Waldes …
» V ic«, sagte Maggie leise, und V ic hob blinzelnd den Kopf von der Armlehne. Da wurde ihr klar, dass sie fast eingeschlafen wäre.
»Ziemlicher Hammer, die Tablette«, sagte sie.
»Was willst du meine Steine fragen?«, hakte Maggie nach. »Beeil dich lieber.«
»Mein Sohn. Ich werde zum Christmasland fahren müssen, um ihn zu retten. Heute Abend oder morgen früh werden sie dort ankommen, und ich werde ebenfalls dort sein. Aber bis dahin ist Wayne wahrscheinlich schon … verwandelt. Seine Stimme war ganz anders, als wir telefoniert haben. Er wehrt sich noch, aber der Wagen verwandelt ihn in eines dieser Scheißbiester. Kann ich das wieder rückgängig machen? Das muss ich unbedingt wissen. Wenn ich ihn da raushole, kann ich ihn dann irgendwie heilen?«
»Das weiß ich nicht. V om Christmasland ist noch nie ein Kind zurückgekehrt.«
»Dann frag. Deine Steine können dir das doch verraten, oder?«
Maggie rutschte vom Rand der Couch auf den Boden. Sie nahm den mottenzerfressenen Beutel und schüttelte ihn. Die Steine darin klapperten und klickten.
»Mal sehen«, sagte sie und griff hinein. Sie kramte darin herum, zog eine Handvoll Steine heraus und ließ sie auf den Boden fallen.
Maggie starrte die Steine mit müder Bestürzung an.
»Mehr krieg ich meistens nicht zustande. Umarmungen und Küsse für das einsame, stotternde Mädchen.« Maggie wischte mit der Hand über den Boden, hob die Buchstaben auf und stopfte sie in den Beutel zurück.
»Okay. Schon okay. Einen V ersuch war es wert. Du kannst nicht alles wissen. Du kannst nicht alles herausfinden.«
»Nein«, sagte Maggie. »Wenn man in eine Bibliothek geht, um etwas he-he-herauszufinden, dann sollte man auch kriegen, was man sucht.«
Sie kramte wieder in ihrem Beutel aus unechtem Samt und warf eine weitere Handvoll Steine auf den Boden.
»Streckt mir n-n-nicht die Zunge raus«, sagte sie zu ihren Buchstaben.
Sie schnappte sich die Steine, ließ sie in den Beutel fallen und schob noch einmal die Hand hinein. Dieses Mal verschwand ihr Arm fast bis zum Ellenbogen, und V ic meinte, Hunderte von Steinen zu hören, die darin herumklapperten. Maggie zog eine weitere Handvoll heraus und ließ sie auf den Boden fallen.
»Fuck?«, rief Maggie. »Ich soll mich ins Knie ficken? Fickt euch selber, ihr …«
Sie nahm die Zigarette aus dem Mund, doch bevor sie damit ihren Arm berühren konnte, packte V ic sie am Handgelenk.
»Nicht«, sagte V ic. Der Raum schwankte hin und her, als säße V ic auf einer
Weitere Kostenlose Bücher