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Christmasland (German Edition)

Christmasland (German Edition)

Titel: Christmasland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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tief Luft. »Nein. Ich … nein, ganz bestimmt nicht. Keiner von euch kommt mit. Ich weiß, dass ihr mir helfen wollt, aber das geht nicht. Die Brücke ist … real, ihr werdet sie beide sehen können. Sie wird hier sein, in unserer Welt. Aber gleichzeitig – und ich behaupte gar nicht, dass ich das verstehe – gleichzeitig existiert sie vor allem in meinem Kopf. Und sie ist auch nicht mehr sicher. Das ist sie schon lange nicht mehr. Sie könnte unter dem Gewicht eines weiteren V erstandes zusammenbrechen. Außerdem komme ich möglicherweise mit Wayne auf dem Sozius zurück. Sehr wahrscheinlich sogar. Wenn er auf dem Motorrad mitfährt, Lou, wo würdest du dann sitzen?«
    »Ich könnte dir doch zu Fuß über die Brücke folgen«, sagte Lou.
    »Das ist keine gute Idee«, sagte sie. »Wenn du sie siehst, wirst du mich verstehen.«
    »Na gut«, sagte Lou. »Dann schauen wir sie uns doch mal an.«
    V ic betrachtete ihn mit einem Blick, der gleichzeitig gequält und flehentlich wirkte. Als müsste sie dagegen ankämpfen, nicht gleich in Tränen auszubrechen.
    »Ich muss sie wirklich sehen!«, sagte Lou. »Ich muss wissen, dass sie real ist. Nicht, weil ich befürchte, dass du verrückt bist, aber ich muss hoffen können, dass Wayne nach Hause kommt.«
    V ic schüttelte den Kopf, drehte sich dann jedoch auf dem Absatz herum und humpelte zur Hintertür.
    Sie kam zwei Schritte weit, bevor sie das Gleichgewicht verlor. Lou packte sie am Arm.
    »Schau dich doch an«, sagte er. »Du kannst dich ja kaum aufrecht halten.« Sie strahlte eine solche Wärme ab, dass ihm übel davon wurde.
    »Ich komm schon klar«, sagte sie. »Bald ist alles vorbei.«
    Aber in ihren Augen lag der matte Abglanz von etwas, was schlimmer war als Furcht – V erzwei fl ung vielleicht. Ihr V ater hatte gesagt, dass jeder dämliche Zehnjährige sich eine Packung ANFO umschnallen und sich in die Luft sprengen konnte, und Lou wurde in dem Moment klar, dass V ic genau so etwas vorhatte.
    Sie stießen die Fliegengittertür auf und traten in die kühle Nachtluft hinaus. Lou war aufgefallen, dass V ic sich immer wieder mit der Hand über das linke Auge wischte. Sie weinte nicht, aber aus dem Auge rannen ständig Tränen. Das kannte er schon, von damals in Colorado, als es ihr besonders mies gegangen war. Damals hatte sie das Telefon abgenommen, obwohl es nicht klingelte, um mit Leuten zu reden, die gar nicht da waren.
    Nur dass sie eben doch da gewesen waren! Es war seltsam, wie schnell er sich an diese V orstellung gewöhnt hatte, wie leicht es ihm gefallen war, ihr zu glauben. Anderseits, vielleicht war es gar nicht so schwer zu verstehen. Er akzeptierte schon lange, dass jeder seine eigene Welt in sich trug, die so real war wie die gemeinsame Welt, an der alle teilhatten. Nur dass sie eben für andere unzugänglich war. V ic hatte gesagt, dass sie die Brücke in diese Welt bringen konnte, aber dass sie irgendwie auch nur in ihrem Kopf existierte. Das klang nach einer Wahnvorstellung, bis man sich vor Augen führte, dass die Menschen die ganze Zeit Dinge aus ihrem Inneren heraufbeschworen: Musik, die sie nur in ihrem Kopf hörten, wurde aufgenommen, Häuser, die sie nur in ihrer V orstellung sahen, wurden gebaut. Die Fantasie war immer nur eine Realität, die darauf wartete, aktiviert zu werden.
    Sie gingen an dem Holzstapel vorbei und traten unter dem Dach hervor in den sanften Regen hinaus. Lou schaute über die Schulter, als die Fliegengittertür noch einmal zufiel und Christopher McQueen ihnen ins Freie folgte. V ics V ater schnippte sein Feuerzeug an und senkte den Kopf, um sich eine weitere Zigarette anzuzünden. Dann blickte er auf und spähte mit zusammengekniffenen Augen durch den Rauch zu dem Motorrad hinüber.
    »Evel Knievel ist auch Triumph gefahren«, erklärte er ihnen, und das war das Letzte, was einer von ihnen sagte, bevor die Bullen aus dem Wald kamen.
    » FBI! «, rief eine wohlbekannte Stimme unter den Bäumen hervor. » BLEIBEN SIE STEHEN, HÄNDE HOCH, HÄNDE HOCH, UND ZWAR ALLE! «
    Ein dumpfer Schmerz schoss Lou an der linken Seite des Halses hinauf, er spürte ihn im Kiefer und sogar in den Zähnen. Ihm fiel ein, dass V ic nicht die Einzige war, die eine Sprengladung mit sich herumtrug – in seinem Gehirn befand sich auch eine Granate, die jeden Moment explodieren konnte.
    V on den dreien schien nur Lou zu glauben, dass HÄNDE HOCH mehr als ein nett gemeinter V orschlag war. Seine Hände hoben sich langsam, obwohl er immer noch die

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